84 Charing Cross Road
Zwischen den Zeilen

GB / USA 1986
Regie: David Jones / Produzent: Geoffrey Helman / Drehbuch: Hugh Whitemore nach der Autobiographie von Helene Hanff / Musik: George Fenton
Mit: Anne Bancroft (Helene Hanff), Anthony Hopkins (Frank Doel), Judi Dench (Nora Doel) u.a.

New York 1949. Die junge Gelegenheitsautorin Helene Hanff (Anne Bancroft) interessiert sich sehr für britische Literatur. Doch viele Bücher sind im Nachkriegsamerika nicht erhältlich, und so antwortet sie auf eine Annonce des Londoner Antiquariats Marks & Co, 84 Charing Cross Road. Aus einer reinen Geschäftsbeziehung - Marks & Co können ihr tatsächlich helfen - wird bald mehr. Helene beginnt, ihren Bestellungen persönliche Briefe beizulegen. Gespannt erwartet Frank Doel (Anthony Hopkins), Geschäftsführer des Antiquariats, jedes neue Schreiben. Helenes Wunsch nach London zu reisen, wird immer stärker. Doch das Geld, das sie verdient, reicht gerade zum Leben. So muß sie sich weiter mit Franks lieben Briefen begnügen. 1953 scheint ihr Traum in Erfüllung zu gehen. Helene erhält den Auftrag, Drehbücher für eine TV-Serie zu schreiben, und schon bald hat sie das nötige Geld für eine Reise zusammen. Ihre Freude, London und Frank zu sehen, ist riesig. Eine komplizierte Zahnbehandlung durchkreuzt ihre Pläne jedoch. Vier Jahre später scheitert ein weiterer Versuch an einem Räumungsbefehl. Helene ist gezwungen, sich eine neue Wohnung zu kaufen, und wieder gehen alle Ersparnisse dabei drauf. 1969, zwanzig Jahre nachdem Helene zum ersten Mal an Frank geschrieben hat, findet die Reise endlich statt. Doch das Antiquariat existiert nicht mehr und Frank ist wenige Wochen zuvor gestorben.

Wenn man so über diesen amerikanischen Film aus dem Jahr 1986 nachdenkt, stellt man überrascht fest, daß er in keine Kategorie, in kein Schema einzuordnen ist. Er ist keine der üblichen rosarot gefärbten amerikanischen Schnulzen à la Zeit der Zärtlichkeit. Dafür haben die Gefühle dieses Films zu viel Tiefgang. Er ist kein Drama der gewohnten Art wie z.B. Kramer gegen Kramer. Dafür strahlt der Film, trotz seines tragischen Endes, zu viel Lebensfreude aus. Und Gott-sei-Dank fehlt jegliches Aktion-Element. Dafür ist die Geschichte auch gar nicht konstruiert. Was einen aber genauso seltsam anmutet, das ist das eigentlich hohe Niveau, obwohl sich Anne Bancrofts Gatte Mel Brooks für die Produktion verantwortlich zeigt, von dem man zwar hintergründige, aber doch eher lustige Werke gewohnt ist. Hier scheint wohl das Drehbuch und die Urgeschichte zu stark, um sie ins Lächerliche umzuwandeln.
Mit 84 Charing Cross Road haben wir einen feinen, stillen, sehr bewegenden, aber keineswegs sentimentalen Film. Ein Film über Werte des Lebens, die einem eigentlich viel bedeuten sollten. Werte wie Freundschaft, Loyalität und Liebe. Selbstlose Liebe. Zwei sich völlig fremde Menschen bringen sich über Jahre hinweg diese Gefühle entgegen, ohne sich je gesehen zu haben. Es ist diese ja fast zarte Art des Films, die einen so bewegt. Wenn man sich diesen Film anschaut, wünscht man sich selbst, einmal einer solchen Freundschaft zu begegnen.
Mit Anne Bancroft und Anthony Hopkins hat der Film auch zwei einfühlsame und durchaus glaubwürdige Darsteller gefunden. Anthony Hopkins mit dem zurückhaltenden Charme des britischen Bücherwurms Frank Doel fühlt man jede Minute die Liebe und Freundschaft nach, die er Helene Hanff entgegenbringt. Eben jene zuvor schon angesprochene selbstlose Zuneigung, die sich schnell aus einer harmonischen Brieffreundschaft entwickeln kann.
Anne Bancroft ist mir, für meinen Geschmack, an manchen Stellen etwas zu laut. Zu amerikanisch. Aber ich denke, genau das braucht der Film. Diese laute, leicht überdrehte Amerikanerin mit dem Hang zum Britischen. Anne Bancrofts Helene Hanff ist sehr verschroben, aber sehr liebenswürdig, was auch in dem stellenweise sehr neckenden Briefwechsel deutlich wird.
Die leidende, aber sehr überzeugende Dritte im Bunde ist Judi Dench als Franks Ehefrau. Sie ist die eigentliche Leidtragende. Nicht nur, daß sie all die Jahre lang mit einer unbestimmten, unbegründeten Eifersucht auf den Briefwechsel ihres Mannes mit einer fremden Frau reagiert, nein, sie wird auch all die Jahre mit dieser Angst allein gelassen und verliert zum Schluß ihren Mann. Dennoch besitzt sie so viel Größe und schreibt am Ende der "Rivalin", woraus sich (im Buch) wiederum eine wunderbare Freundschaft entwickelt.

© 1993 by Bob H.
(Hopkins Files Nr.5)

 

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