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Das
Buch zum Hopkins-Film Für jeden
Hopkinsianer kommt einmal der Tag, an dem sich seine Sammelleidenschaft nicht mehr nur auf
hopkinsianische Videofilme, Fotos, Zeitschriftenartikel etc. beschränkt, sondern neue
Sammelgebiete erschlossen werden müssen: Die unermüdliche Suche nach dem
"Buch-zum-Hopkins-Film" beginnt...
Ja, insbesondere im Bereich der Literatur tun sich für den
nimmersatten Komplettisten ungeahnte Möglichkeiten auf, existiert doch beinahe zu jedem
Hopkins-Film die dazugehörige Lektüre.
Natürlich müßte man hier sofort eine Unterscheidung zwischen zwei Kategorien von
"Buch zum Film"-Literatur voranstellen: Einmal gibt es da das klassische
"Buch zum Film", was bedeutet, daß zuerst der Film und anschließend der
dazugehörige Roman (als Auftragsarbeit) entstanden ist. Zu dieser, von Freunden
anspruchsvoller Literatur eher wenig geschätzten Kategorie zählen z.B. Romane wie
Leonore Fleischers "Buch zum Shadowlands-Film" oder Fred Saberhagens
"Buch zum Bram Stokers Dracula-Film". Sprache und Stil dieser Gattung
lassen meistens alles zu wünschen übrig, sind aber dennoch beliebte Sammelobjekte, da
sie oft nette Filmfotos enthalten.
Als Hopkinsianer hat man allerdings das große Glück, bei der Auswahl der "Buch zum
Film"-Lektüre nur äußerst selten auf diese unseligen, häufig nachlässig und
schlecht geschriebenen Auftragsarbeiten zurückgreifen zu müssen. Zum anderen gibt es da
nämlich die Kategorie "Literarische Vorlage zum Film".
Über 90% aller Hopkins-Filme sind im wahrsten Sinne des Wortes
"Literaturverfilmungen". Oder anders ausgedrückt: Der entsprechende Roman, die
Erzählung oder das Drama entstanden vor dem Film und zudem völlig unabhängig von einer
möglichen filmischen Umsetzung. So basieren, neben den klassischen Literaturverfilmungen
wie z.B. Howards End, War and Peace oder Arch de Triumph, auch Filme
wie Magic, Audrey Rose oder A Bridge Too Far auf Romanvorlagen. Von
einem "Buch zum Film" sollte in diesen Fällen also eigentlich gar nicht die
Rede sein, handelt es sich doch um literarische Vorlagen, nach denen dann vielmehr der
"Film zum Buch" entstanden ist. Nichtsdestotrotz habe ich für diesen Artikel
einfach mal alles unter dem einen Oberbegriff "Buch-zum-Hopkins-Film"
zusammenfassen, ungeachtet der qualitativen Unterschiede.
Ich weiß, natürlich grenzt es an Blasphemie, Klassiker wie Charles Dickens' Great
Expectations mit Jackie Collins' Hollywood Wives in einen Topf zu werfen. Und
Tolstoj wäre gleichfalls alles andere als begeistert, beklebte man sein Epos War and
Peace mit dem Etikett "Buch zum Film". Aber ob es dem guten Tolstoj nun
gefallen hätte oder nicht, Tatsache ist, daß in den 70'er Jahren ein britischer
Taschenbuchverlag nicht davor "zurückschreckte", den Buchumschlag einer neuen
Auflage von War and Peace mit Anthony Hopkins als Pierre Bezuhov zu schmücken,
für den "Buch-zum-Hopkins-Film"-Sammler natürlich ein gefundenes Fressen! Und
seien wir doch mal ehrlich: Haben nicht Verlage und Schriftsteller (sofern letztere noch
unter den Lebenden weilen - Tolstoj also ausgenommen!) stets von einer Verfilmung ihrer
Bücher profitieren können? Ja, wäre z.B. Thomas Harris' Das Schweigen der Lämmer
ein derartiger Welterfolg und Bestseller geworden, hätte es den Film nicht gegeben?
Allgemein scheint das "Buch zum Film" in den letzten Jahren sehr in Mode
gekommen zu sein. Sobald ein neuer Film in die Kinos kommt, bringt der Verlag, der die
Rechte für die literarische Vorlage besitzt, unverzüglich eine Neuauflage als
Taschenbuchausgabe auf den Markt, filmgerecht aufgemacht mit dem entsprechenden Filmplakat
als Titelbild und versehen mit den Worten: "Nach diesem Roman entstand der neue Film
mit...", "Die Vorlage zum Film" oder schlicht und ergreifend "Das Buch
zum Film". Die meisten Verlage sind zudem so tüchtig, das ganze noch hübsch mit ein
paar Seiten Filmfotos zu bestücken, auf daß die Phantasie des unvoreingenommenen Lesers
gar nicht erst in Verlegenheit gerät, benutzt zu werden.
Nicht zu vergessen sind auch die Bemühungen des Rowohlt-Verlags, welcher in der Reihe
"Das Buch zum Film" Kazuo Ishiguros Was vom Tage übrigblieb mit einem
mehrseitigen "Nachwort zum Film" versehen hat.
Wie auch immer man darüber denken mag, die Symbiose von Literatur und Film scheint sich
letztlich für alle Beteiligten auszuzahlen. Und wen stört es da noch, wenn z.B. Bram
Stokers Gruselklassiker Dracula plötzlich als "Buch zum neuen Coppola
Film" daherkommt? Immerhin bescherte uns Coppolas Dracula-Verfilmung endlich
eine Neuauflage des Stoker-Romans in ungekürzter und vollständiger Fassung. In
Deutschland war das Buch zuvor Jahre lang nur in stark zensierter Form erhältlich - laut
Verlag "im Interesse der besseren Lesbarkeit"!
Außerdem gilt es zu bedenken, daß zahlreichen Büchern, wären sie nicht verfilmt
worden, womöglich gar nicht erst die Ehre einer Neuauflage zuteil geworden wäre, schon
gar nicht hier bei uns in Germany. Ich denke da nur an Ian Mc Ewans Unschuldige
oder auch Jim Harrisons Legenden der Leidenschaft. Mit einem Blick auf die
Verkaufszahlen dürfte es Jim Harrison wohl reichlich wenig interessieren, daß sich die
Leserschaft seiner Erzählung Legenden der Leidenschaft neuerdings vornehmlich aus
Fans von Brad Pitt zusammensetzt; Und was kümmert es Ian McEwan, wenn auf dem deutschen
Cover seines Romans Isabella Rossellini und Anthony Hopkins daher schlendern, als hätten
sich beide im falschen Film - in Casablanca - verirrt?
Immer für einen Lacherfolg gut und zudem äußerst interessant zu verfolgen, ist auch die
Entwicklung des Umschlags eines solchen "Buch zum Film". Ich denke da vor allen
Dingen an die deutsche Taschenbuchausgabe von Das Schweigen der Lämmer, mit dessen
Cover der Heyne Verlag seinerzeit Maßstäbe setzte: Von dem "neuen Film mit Jodie
Forster" und dem "faszinierend bösen Dr. Lester" ist da auf
der allerersten Auflage die Rede. Einige Auflagen später heißt es dann gar "Judy
Foster", wobei diesmal zumindest der Nachname stimmte. Gewiß, im Laufe der Zeit und
unzähliger Neuauflagen (mittlerweile die 34'ste oder was?) gelang es Heyne, diese kleinen
Patzer zu korrigieren und zudem Anthony Hopkins' Namen als auch den fünffachen
Oscar-Gewinn des Films auf dem Titelbild zu erwähnen.
Die Verwirrungstaktik des Goldmann Verlags hingegen fiel im Vergleich dazu schon ein wenig
subtiler aus, heißt es da nämlich auf dem Cover von E.M. Forsters Wiedersehen in
Howards End noch großspurig: "Verfilmt mit Vanessa Redgrave und Anthony
Hopkins", so müssen wir keine zwei Seiten später lesen, daß "Anthony Perkins"
die Hauptrolle in Ivorys Verfilmung spielt! Wer jetzt entsetzt aufschreit, kann sofort
beruhigt werden: Der Goldmann Verlag korrigierte diesen bösen Fehler gleich in der
nächsten Auflage.
Für den "Buch-zum-Hopkins-Film"-Komplettisten gereichen aber gerade diese
fehlerhaften Ausgaben zu äußerst liebgewonnenen Sammlerstücken; Wer kann sich denn z.B.
heute noch rühmen, die deutsche Erstausgabe von Das Schweigen der Lämmer zu
besitzen? Noch dazu in halb aufgelösten Zustand, war doch die Lektüre einst derart
fesselnd, daß es Leser gegeben haben soll, die sie gar nicht mehr aus der Hand geben
wollten und samt Filmfotos in der Badewanne versenkten! (Dramatische Zeiten aus dem Leben
eines Hopkinsianers!)
Tja, und wer sie dann alle eines Tages beisammen hat, die auf dem deutschen Markt
erhältliche "Buch-zum-Hopkins-Film"-Lektüre, der wird bald feststellen, daß
diese Ausbeute nur wenig zufriedenstellend ist im Vergleich zu dem, was britische
Secondhand-Buchhandlungen für uns Hopkinsianer zu bieten haben. Eine der weltgrößten
Anhäufung von Secondhand-Büchern befindet sich so zum Beispiel in der walisischen
Grenzstadt Hay-on-Wye, für ihre unzähligen Bookshops, Bücherhöhlen und Antiquariate
weltberühmt. Wer hier auf die Suche geht, wird jedoch sehr viel Zeit und Geduld
mitbringen müssen, denn insbesondere die unsortierten Wühltische und Bücherregale
bergen für den sammelnden Hopi oft die interessantesten Schätze.
Aber natürlich muß man nicht unbedingt gleich nach Wales reisen. Auch in London,
vornehmlich auf der Charing Cross Road, gibt's Buchhandlungen und secondhand books ohne
Ende. Aber auch hier gilt, daß man Zeit und Geduld haben muß, um fündig zu werden.
Außerdem sollte man bedenken, daß einem womöglich längst ein anderer Hopi
zuvorgekommen sein könnte, ganz nach dem Motto:
We read to know we're not alone!
© 1995 by Bettina B.
(Hopkins Files Nr.15) |
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