The Dawning
Der Fremde am Strand

GB 1988
Regie: Robert Knights / Produzent: Sarah Lawson / Drehbuch: Moira Williams nach dem Roman The Old Jest von Jennifer Johnston / Musik: Simon May
Mit: Anthony Hopkins (Cassius), Rebecca Pidgeon (Nancy), Jean Simmons (Tante Mary), Trevor Howard (Großvater), Hugh Grant (Harry) u.a.

Südirland 1920. Nancy Gulliver (Rebecca Pidgeon) lebt zusammen mit ihrem senilen Großvater (Trevor Howard) bei ihrer Tante Mary (Jean Simmons). Obwohl Nancys Mutter im Kindbett starb und ihr Vater über alle Berge ist, führt sie ein unbeschwertes Leben mit Büchern und Tagebucheintragungen. Die Schulzeit gerade hinter sich gelassen, beschließt sie an ihrem 18. Geburtstag, endlich erwachsen zu werden - nicht nur, um den etwas snobistischen, aber verdammt gut aussehenden Harry (Hugh Grant) für sich zu gewinnen, in den sie schon seit längerem verliebt ist. Daß Harry nur Augen für Maeve hat und Nancy noch für ein kleines Kind hält, ist allerdings schon ein wenig deprimierend.
An diesem Punkt tritt er in ihr Leben. Er (Anthony Hopkins), ein alter Kriegsveteran und Nationalist, der sich in Nancys "Geheimversteck", einer alten Holzhütte am Strand, vor den englischen Truppen verborgen hält. Durch ihn, den sie nur "Cassius" nennt, weil er ihr seinen Namen nicht preisgeben will und kann, werden ihre Augen für das aktuelle politische Geschehen und ihr Interesse für ihr Heimatland geweckt. Zwischen beiden entwickelt sich mit der Zeit eine enge Beziehung, die von Anfang an voll Vertrauen und Ehrlichkeit ist und an die zwischen Vater und Tochter erinnert.
Nancy teilt Cassius' politische Ansichten über ein unabhängiges Irland und ist eines Tages sogar bereit, einen Botengang für ihn zu erledigen. Durch diese nicht gerade ungefährliche Nachrichtenübermittlung lernt sie Joe Mulhare kennen, der sie trotz seines weniger ansprechenden Äußeren tief beeindruckt. Beide verbringen einen netten Nachmittag zusammen. Danach scheint das Leben weiterzugehen wie bisher. Nancy pflegt ihren Großvater, der den ganzen Tag damit beschäftigt ist, alte Soldatenlieder zu singen und die Umgebung mit einem Feldstecher abzusuchen. Dann ist da noch Tante Mary, der sie soviel Freude wie nur möglich machen möchte. So begleitet sie ihre Tante auch mehr schlecht als recht zu einem Pferderennen in die Stadt. Zu ihrer Überraschung sieht sie dort Joe wieder, doch als sie zu ihm möchte, fallen ein paar Schüsse, einige englische Soldaten liegen plötzlich tot am Boden. Nach dem ersten Schrecken erkennt Nancy, daß auch sie sich dieses Attentates schuldig gemacht hat - sie war es, die die Informationen über Ort und Zeit des Überfalls weitergeleitet hatte! Wieso mußten nur immer Menschen umgebracht werden? Einzig in diesem Punkt konnte sie Cassius nicht verstehen.
Für ihn ist inzwischen die Zeit gekommen, weiterzuziehen; denn zu lange an einem Ort zu bleiben, wäre zu gefährlich.
Am Abend nach dem Attentat kommen die Soldaten in Tante Marys Haus auf der Suche nach einem schwer bewaffneten Terroristen namens Angus Barry. Was Nancy geahnt hatte, tritt schließlich ein: Das Photo, das herum gegeben wird, zeigt Cassius... Doch sowohl Tante Mary als auch Nancy selbst können die Soldaten davon überzeugen, diesen Mann noch nie zuvor gesehen zu haben. Welch ein Unglück nur, daß Großvater ausgerechnet in diesem Moment einen lichten Augenblick hat und verrät, Nancy in den Dünen mit einem Fremden gesehen zu haben!
Doch noch ist nichts verloren, vielleicht ist Cassius schon geflüchtet - wenn nicht, würde Nancy ihn warnen. Sie rennt durch die Nacht zur Hütte - er ist noch immer dort... Sie fleht ihn an, endlich zu verschwinden, auch wenn der Gedanke, ihn nie wieder zu sehen, ziemlich weh tut.
Aber es ist schon zu spät: Als sie aus der Hütte treten, sind sie bereits von englischen Soldaten umstellt...

Was für ein trauriger Film! Voller Gefühl und deshalb so phantastisch. Es gibt nicht viele Filme, bei denen ich heilfroh bin, allein vor dem Abspann zu sitzen - schließlich muß ja nicht jeder mitbekommen, wie sehr mich die Handlung berührt hat...
Am Ende von The Dawning schreit es Nancy geradezu aus mir heraus: "WARUM???" Warum nur habt ihr diesen wehrlosen, liebenswerten alten Mann erschossen, der nichts anderes getan hat, als für seine Ideale einzustehen? Warum mußtet ihr ihn unbedingt töten, wo doch das Gefängnis auch gereicht hätte, um ihm die Hände zu binden? Oh, wie kann sich Nancy nur so schnell wieder beruhigen, bei dem Haß, den ich in diesem Moment auf alle umstehenden englischen Soldaten habe? Doch der letzte Schuß in den Kopf hat eine lähmende Wirkung. Man vergißt beinahe zu atmen. Für Nancy ist ihr Vater ein zweites Mal gestorben. Und so wie er gekommen war, ist er nun auch wieder verschwunden - plötzlich und ohne jede Spur; Der Strand sieht am nächsten Morgen genauso aus wie an jedem Tag in den letzten 18 Jahren... Was mag in Nancy vorgehen, als sie Cassius' letzte Whiskeyflasche ins Meer hinauswirft? Hat sie eingesehen, daß die Männer am Strand nichts anderes getan haben, als Cassius auch? Was ist mit den Soldaten, die bei dem Pferderennen erschossen wurden? Gerade waren sie vielleicht noch glückliche Familienväter, die nur ihren Job tun - und von einer Minute zur anderen sind ihre Kinder Halbwaisen. Und wofür? Ein paar erschossene Soldaten können von den Briten leicht ersetzt werden. War Cassius' Weg zu einem unabhängigen Irland wirklich der richtige? Seine Mittel gerechtfertigt? Oder hat Nancy nun endgültig eine Entscheidung für ihr Leben getroffen? Wird sie Joe und seine radikalen Methoden unterstützen und aus Rache - wenn auch nur im Hintergrund - bis auf die letzte Kugel gegen die Engländer kämpfen? Oder wird sie wie Bridie, die Haushälterin, sehr wohl eine politische Meinung haben, aber nicht für diese eintreten? Wird sie nur daneben stehen und beobachten und weiter für Harry schwärmen?
Ich habe noch nicht so recht eine Antwort gefunden. Aber das ist das wundervolle an dem Film oder auch an Jennifer Johnstons Romanvorlage: Man kann die Handlung noch so oft durchgehen - am Ende bleibt alles offen.
Ich habe lange überlebt, ob es eigentlich etwas gibt, das mir an diesem Film nicht gefällt. Ich habe nichts gefunden! Die Musik von Simon May ist einfach eine Wucht (leider gibt es keinen Soundtrack), die Naturaufnahmen von rauher Schönheit, die Dialoge der handelnden Personen aufrichtig und in richtiger Länge, und die Schauspieler sind allesamt erstklassig: Rebecca Pidgeon in ihrer ersten Leinwandrolle einfach hinreißend und vielversprechend (wieso habe ich seitdem nichts mehr von ihr gehört?), der heutzutage endlich gebührend gefeierte Hugh Grant herrlich steif und flegelhaft, Trevor Howard in seinem letzten Kinofilm recht eingefallen und überzeugend als verwirrter alter Greis.
Wie las ich doch kürzlich in einer Kritik der Film Review? (Nicht, daß hier einer denkt, so was kann ja nur von einem Hopgoblin kommen!): "But it is Anthony Hopkins, the star above the title, who subtly demolishes the rest of the cast as he breathes a fresh universe of life into every sentence he utters." Uuuuh! Dat jeht runter wie Öl, doesn't it?! Irgendwelche Gegenstimmen?

© 1994 by Krisl
(Hopkins Files Nr.11)

 

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