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Hannibal
HannibalUSA 2001
Regie: Ridley Scott / Produzent: Dino De Laurentiis, Ridley Scott u. Martha De Laurentiis
/ Drehbuch: David Mamet u. Steven Zaillian nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Harris
/ Musik: Hans Zimmer / Kamera: John Mathieson
Mit: Anthony Hopkins (Hannibal Lecter), Julianne Moore (Clarice Starling), Gary Oldman
(Mason Verger), Ray Liotta (Paul Krendler), Giancarlo Giannini (Inspektor Pazzi), Frankie
R. Faison (Barney) u.a.
Das Schweigen wird gebrochen
Am 23. Februar 1991 hatte in Berlin bei den Filmfestspielen
ein Film seine Deutschlandpremiere, der noch heute Kinobesucher in ihren Träumen
aufschrecken lässt. Jonathan Demmes Das Schweigen der Lämmer ist bis heute ein
unerreichtes Meisterwerk des modernen, psychologisch fundierten Horrorfilms.
Zehn Jahre liegt Dr. Hannibal Lecters letzter Auftritt nun schon zurück. Obwohl Dr.
Lecter in diesem Film nur etwa 25 Minuten zu sehen war - und das fast die ganze Zeit in
einer Zelle - wurde er trotzdem sehr populär, wahrscheinlich der beliebteste
Filmbösewicht der neunziger Jahre. Diese Rolle machte Anthony Hopkins zum Weltstar. Es
gab kaum ein Interview, in dem er nicht nach einer Fortsetzung des Horrorschockers gefragt
wurde. Bereitwillig verkündete er stets sein Interesse, sofern die Skriptvorlagen seinen
Ansprüchen genügen sollten.
Dies stellte sich allerdings schnell als Problem heraus. Schon als bekannt wurde, dass
Bestsellerautor Thomas Harris an einer Fortsetzung schrieb, sicherten sich Martha und Dino
De Laurentiis die Filmrechte. Sie wussten zwar nicht, was der Autor sich hinter
verschlossenen Türen ausdachte, hofften aber insgeheim, auf eine ähnlich geniale
Vorlage, wie bei dem Oscar gekrönten Vorgänger. Diese Hoffnung hatte sich allerdings
schnell zerschlagen, als im Sommer 1999 der Roman Hannibal veröffentlicht wurde.
Obwohl sich das Buch gut verkaufte, waren viele Leser enttäuscht. Die einen regten sich
über die noch detaillierter geschilderten Greueltaten auf, die anderen fanden die
Entwicklung der Beziehung zwischen den beiden Hauptfiguren unglaubwürdig.
Was die Verfilmung aber wirklich gefährdete, war das offensichtliche Missfallen der Stars
aus dem 1.Teil. Regisseur Jonathan Demme und sein Drehbuchautor Ted Tally lehnten es
strikt ab, die Fortsetzung zu drehen. Auch Anthony Hopkins und Jodie Foster zeigten sich
nicht sonderlich begeistert vom ersten Skriptentwurf von David Mamet, der immerhin
Drehbücher für Hits wie Die Unbestechlichen (mit Kevin Costner und Sean
Connery) oder Wag the Dog (mit Robert De Niro) schrieb. Das Projekt schien zu
scheitern.
Das erste Problem löste sich, als Ridley Scott, der Kassenerfolge wie Blade Runner,
Thelma & Louise oder Gladiator erschuf, die Regie übernahm und
nebenbei noch als Produzent fungierte. Das Skript wurde von Oscar-Preisträger Steven
Zaillian (Schindlers Liste) überarbeitet und fand Gnade in den Augen von Sir
Anthony. Doch Jodie Foster wollte nicht wieder als Clarice Starling auftreten. Trotz
massiven Überredungsversuchen von Regisseur Ridley Scott lehnte sie ab. Julianne Moore
übernahm.
Die Dreharbeiten begannen im Frühjahr 2000 und führte die Crew nach Florenz, North
Carolina, Virginia und Washington DC. Im Herbst 2000 wurde die Produktion abgeschlossen
und ist nun seit dem 15. Februar 2001 auch in den deutschen Kinos zu sehen.
Zehn Jahre sind also vergangen seitdem Hannibal Lecter
seine blutige und spektakuläre Flucht aus dem Hochsicherheitstrakt im Baltimore State
Hospital geglückt ist. Nachdem er in der Karibik seinen letzten Gefängnisdirektor, den
sadistischen Dr. Chilton verspeist und Clarice am Telefon Lebewohl gesagt hatte, setzte er
sich nach Südamerika und später nach Europa ab. Hier in Florenz - so scheint es - hat
Dr. Lecter ein sicheres Refugium gefunden. Es gelingt dem hochintelligenten Doktor, sich
eine völlig neue Existenz als angesehener Kurator der weltberühmten
Palazzo-Capponi-Bibliothek aufzubauen. Dass er hierfür seinen Vorgänger im Amt
verschwinden lassen muss, ist ein "Opfer", das der besonnene Massenmörder gerne
bringt. Einen Rückfall erleidet Hannibal bis dato allerdings immer noch nicht. Er
genießt die italienische Küche, liest in alten Pergamentrollen und lauscht klassischer
Musik. Er könnte sozusagen in Frieden leben, wenn es da nicht Menschen geben würde, die
ihm nach dem Leben trachten! Besonders der superreiche Mason Verger (Gary Dracula
Oldman) hat sein ganzes Leben diesem Ziel gewidmet. Er ist das einzigste Opfer von
"Hannibal the Cannibal", das nach dessen Tranchierkünsten noch lebt. Lebt? Nun
ja, zumindest das, was noch von ihm übriggeblieben ist, nachdem er sich unter
Drogeneinfluss selbst mit einer Glasscherbe die Haut vom Gesicht schälen musste. Danach
brach ihm Hannibal das Genick und ließ diese schrecklich entstellten Reste eines Menschen
fortan im Rollstuhl am Leben. Da ist es doch nur verständlich, dass Mason Verger auf
Rache sinnt. Er würde Hannibal gerne an speziell gezüchtete Riesenschweine verfüttern.
Masons Problem ist aber, dass niemand weiß, wo sich der meistgesuchte Verbrecher der USA
aufhält. Und da kommt Clarice Starling, zu der Lecter eine fast schon erotische Beziehung
aufgebaut hatte, ins Spiel. Auch Clarice Starlings Leben steht unter einem schlechten
Stern. Bei einer Drogenrazzia erschießt sie eine Verdächtige und gerät selbst ins
Kreuzfeuer der Kritik. Beim FBI fällt sie dadurch in Ungnade, nicht zuletzt dank
tatkräftiger Mithilfe des Justizbeamten Paul Krendler (Ray Liotta). Dieser steckt mit
Mason Verger unter einer Decke, und mit Clarice als Köder wollen die beiden Hannibal
Lecter aus seinem Versteck locken. (Was eigentlich nur ein Vorspiel sein sollte,
verbraucht schon die Hälfte des Films und schleppt sich ziemlich langatmig dahin.)
In Florenz ist Hannibal inzwischen der korrupte und von Geldnöten geplagte Inspektor
Pazzi (wunderbar gespielt von Giancarlo Giannini) auf die Schliche gekommen. Darauf hätte
er besser verzichtet, denn Hannibal sieht sich dadurch genötigt, seine alten Vorlieben
wieder aufleben zu lassen. Somit haben das FBI, Verger und Clarice ihn weiter im Visier,
doch Dr. Lecter entkommt und macht sich auf den Weg zurück nach Amerika, zurück zu
Clarice...
Diese möchte sich gerne rehabilitieren und ihren Job beim FBI zurückhaben. Voraussetzung
ist aber, dass sie Hannibal zur Strecke bringt. Jetzt beginnt endgültig das
Katz-und-Maus-Spiel zwischen Clarice und Lecter. Liebe macht ja bekanntlich blind, und da
auch ein Kannibale offensichtlich von Gefühlen gelenkt wird, tappt Hannibal in die Falle
und lässt sich von Clarice ködern. Mason Vergers Plan, Hannibal an die Schweine zu
verfüttern, scheint ganz nah.
Doch nun kommt es zum Showdown. Clarice rettet Dr. Lecter aus den Fängen der Bestien, und
Lecter revanchiert sich, als Vergers Crew Clarice niederschießt. Und da Hannibal nun
schon mal Dr. med. ist, bemüht er sich gleich um das Wohlbefinden seiner Patientin und
bringt sie zur Genesung in das Wochenendhaus des Justizbeamten Krendler. Mit diesem hat er
ebenfalls noch eine alte Rechnung offen, schließlich ist Krendler dafür verantwortlich,
dass Clarice vom Dienst suspendiert wurde.
Vollgepumpt mit Morphium sitzen sich diese beiden nun bei Tisch gegenüber und warten
gespannt was Hannibal zum Abendessen kredenzt. Dass als Zutaten hiefür u.a. Krendlers
Gehirn herhalten muss, ist für den Zuschauer, wie auch für Clarice, äußerst
unappetitlich, - aber was kann man von einem Kannibalen eigentlich anderes erwarten?
Und erst jetzt zum Schluss stehen sich Clarice und Lecter tatsächlich gegenüber. Ein
Hauch der alten Magie taucht plötzlich auf (das Knistern zwischen den beiden kommt hier
leider viel zu kurz). Ein Kuss von Lecter, der Clarice zwar das Herz erweicht, sie aber
nicht von ihrem Ehrgeiz abhält, Hannibal hinter Schloss und Riegel zu bringen, ist alles
was bleibt. Doch Dr. Lecter sieht sich ungern in Ketten und ein gezielter Schlag mit dem
Küchenbeil verhilft ihm erneut zur Flucht...
Bereits die Romanvorlage von Thomas Harris krankt daran,
dass sie keine richtige Geschichte zu erzählen hat. Das Schweigen der Lämmer bestand
aus der atemberaubenden Jagd nach einem Serienkiller, nur unterbrochen durch die
Konsultation des FBI-Lehrlings Clarice Starling mit dem eingesperrten Doktor. Aber gerade
diese Dialoge waren das Spannendste an dem Film. Sie gewährte ihm Einblicke in ihre
Seele, er, der geniale Psychiater, gab ihr Hinweise auf den Mörder. Eine unterschwellig
erotische Beziehung entstand.
In Hannibal beschränkt sich die Story im wesentlichen auf die Verfolgung von Dr.
Lecter. Tatsache ist, dass er in seiner Zelle wesentlich gefährlicher und unberechenbarer
wirkte, als nun auf freiem Fuß. Trotz der ästhetischen Inszenierung durch Ridley
Scott, geht die Atmosphäre, Spannung und Stimmigkeit in Hannibal etwas
verloren.
Viele Diskussionen gab es wegen der blutigen und brutalen Szenen im Film. Sicherlich sind
das alles keine schönen Prozeduren, aber so richtig grässlich wirkt es auf mich auch
nicht. Den Zuschauern sollte eigentlich bekannt sein, dass es sich bereits bei Das
Schweigen der Lämmer nicht um einen Walt Disney Film gehandelt hat.
Keine Frage, der opulent und opernhaft inszenierte Film, ist mit erstklassigen
Schauspielern besetzt. Julianne Moore passt erstaunlich gut in ihre Rolle. Sie
versucht nicht, Jodie Foster zu kopieren, sondern verleiht ihrer Figur eine neue,
härtere, aber auch erotischere Seite. Letztendlich muss Juliane Moore dennoch hinter der
Brillanz von Anthony Hopkins
zurücktreten. Tony bietet eine grandiose Performance. Er schafft es, dass einem Dr.
Lecter trotz aller Greueltaten, richtig sympathisch wird. Durch seine Ausstrahlung und
nicht zuletzt durch einen Schuss Ironie, verkörpert Anthony Hopkins, einen
vielschichtigen Charakter, der zu intelligent und zu konsequent ist, die Lügen der
Gesellschaft ungestraft zu lassen. Und so schizophren das auch klingen mag, man ertappt
sich selbst bei dem Gedanken, dass man Hannibal gerne mal bei einigen unliebsamen
Zeitgenossen vorbeischicken möchte!
Allein wegen dieser darstellerischen Klasse muss man den Film gesehen haben. Auch wenn
Tonys Repertoire eigentlich unerschöpflich ist, so ist Dr. Hannibal Lecter sicher die
Rolle seines Lebens. Darum bin ich überzeugt, dass es einen 3.Teil geben wird. Auch wenn
diese Fortsetzung für die Hannibal-Fans traurig enden könnte, werden wir sicher erneut 2
Stunden große, schauspielerische Kunst von Anthony Hopkins im Kino erleben dürfen.
Und für alle Fans, uns Freunde der klassischen Musik, darf auch der schaurig schöne
Soundtrack von Hans Zimmer in keinem Schrank fehlen.
In diesem Sinne, Ta-Ta,
© 2001 by Sylvia H.
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