In the Wild - Lions with Anthony Hopkins
Unter Löwen - Anthony Hopkins

GB 1993
Regie: Mike Fox / Produzent: Jeremy Bradshaw / Kamera: Hugh Maynard
Mit: Anthony Hopkins, Hugh Maynard u.a.

Bereits als sechsjähriges Kind faszinierten und beeindruckten sie ihn. Wenn Anthony Hopkins damals mit seinem Vater die Zoos von London und Bristol besuchte, galt sein Interesse ausschließlich ihnen: Den großen Raubkatzen, den Löwen. Schon damals, vor den Gittern der Löwenkäfige im Zoo stehend, wünschte er sich, einmal diesem König der Tiere in dessen natürlichen Umgebung Auge in Auge gegenüberzustehen, in freier Wildbahn und ohne Gitterstäbe dazwischen.
Beinahe fünfzig Jahre nach dieser ersten Begegnung mit den Raubkatzen im Zoo, sollte Anthony Hopkins' Traum endlich in Erfüllung gehen. Fernsehproduzent Jeremy Bradshaw machte es möglich. Im Rahmen seiner ITV-Serie In the Wild plante Bradshaw eine Dokumentation über die Löwen im afrikanischen Tansania und konnte den Schauspieler sofort für dieses Projekt gewinnen. Hopkins war Feuer und Flamme. Trotz eines Terminkalenders, der aus allen Nähten platzte, nahm er sich Zeit, mit einem Kamerateam nach Afrika zu reisen, nach Tansania ins Land der Löwen.
Das Ergebnis In the Wild - Lions with Anthony Hopkins ist nicht nur eine faszinierende Studie über die Lebensgewohnheiten der in Freiheit lebenden Löwen, versehen mit wunderschönen Naturaufnahmen, sondern vor allen Dingen auch ein sehr persönlicher Anthony-Hopkins-Film. Die 50-minütige ITV-Produktion bietet uns die einmalige Gelegenheit, den Schauspieler auf seine weite Reise ins Land der Löwen zu begleiten und uns aus seiner Sicht von der Begegnung mit dem König der Tiere erzählen zu lassen.
Bevor wir mit Hopkins die Reise nach Tansania antreten, führt uns der Waliser zunächst in den Londoner Zoo. Zum Löwenkäfig. Hier werfen wir durch Gitterstäbe einen ersten flüchtigen Blick auf einen Löwen, während uns Hopkins, dem Käfig gegenüberstehend, von seiner Faszination für diese Raubtiere erzählt: Kraft, Unabhängigkeit, Freiheit, Rücksichtslosigkeit. In erster Linie aber sind es die stechenden Augen des Löwen, die Hopkins in den Bann ziehen.
In seinem Haus in Chelsea trifft er die letzten Vorbereitungen für die Reise nach Afrika, wälzt einen Bildband über frei lebende Löwen und präsentiert seiner Hauskatze ein Photo daraus. Die Katze zeigt sich wenig beeindruckt...
Dann sind wir unterwegs, zunächst noch in London, wo wir die majestätischen und überdimensionalen Bronzelöwen am Trafalgar Square passieren. Danach befinden wir uns gleich im Herzen Afrikas und auf einem längeren Fußmarsch, den Hopkins unter der Führung eines erfahrenen afrikanischen Trappers zurücklegt. Es ist sehr heiß hier. Hopkins ist die glühende Hitze und die Anstrengung anzumerken. Aber mit seinem Hut und der Safari-Bekleidung könnte er als Indiana Jones durchgehen! - Auf dem Weg durch die Steppe stößt der Trapper auf die ersten Spuren der Löwen. Im Sand sind die Abdrücke der Pfoten gut auszumachen. Doch ein Baum, an dem recht seltsame Früchte wachsen, beansprucht Hopkins' Aufmerksamkeit zunächst mehr. Der Afrikaner erklärt ihm, daß die Einheimischen Alkohol aus den Früchten dieses Baums machen. Hopkins lacht laut auf: "Alcohol? So you get drunk on these!!? Ha, ha ,ha!"
Kurze Zeit später ist es dann soweit. Aus sicherer Entfernung sichten sie eine kleine Gruppe von Löwen. Vorsicht ist angesagt. Doch der Trapper klärt Hopkins über die Gefahren auf - wofür wir ihm unendlich dankbar sind!
Schließlich neigt sich der erste Tag in den Steppen Tansanias seinem Ende entgegen. Hopkins und sein Begleiter blicken dem atemberaubenden Sonnenuntergang entgegen, Szenen, wie wir sie nur aus der Camel-Werbung kennen!
Die nächste Station ist der Besuch bei einem Massai-Stamm im Nordosten Tansanias. Die Massai, ehemals ein großes afrikanisches Hirtenkriegervolk, sind traditionelle Viehhirten. Nur mit Speeren und Schwertern bewaffnet, sind sie oft gezwungen, ihre Rinderherden vor den Angriffen hungriger Löwen zu verteidigen. Hopkins wird dem tapfersten Krieger des Stamms vorgestellt. Der Massai kämpfte einst siegreich mit einem Löwen, trug jedoch zahlreiche Verletzungen davon. Hopkins zeigt sich von der Philosophie dieses stolzen Hirtenvolks beeindruckt. Laut Tradition und Überlieferung gehören den Massai die gesamten Viehbestände in der Welt. "Auch in England und Amerika?" erkundigt sich Hopkins. "Ja, überall," lautet die Antwort eines Massai.
Die Reise geht weiter. Diesmal begleitet Hopkins das Forschungsteam des Lion Research Projects, welches sich zur Aufgabe gemacht hat, die Lebensgewohnheiten und das soziale Gruppenverhalten der Löwen zu untersuchen. Per Flugzeug wird der Aufenthaltsort einer bestimmten Löwenherde ausfindig gemacht. Einer der Raubkatzen trägt ein Halsband, an dem ein Sender befestigt ist. Wieder sicheren Boden unter den Füßen, ist Hopkins behilflich, die große Katze, die das Halsband trägt und untersucht werden soll, zu betäuben. Während eine Mitarbeiterin des Teams das Betäubungsgewehr lädt, erkundigt sich Hopkins grinsend: "Are you going to inject me?" - "No," erwidert diese lächelnd. Offensichtlich hat sie Das Schweigen der Lämmer nicht gesehen!
Die Löwin ist bald betäubt und kann jetzt untersucht werden. Für Hopkins ist nun der Moment gekommen: Zum ersten Mal in seinem Leben kann er einen Löwen berühren und streicheln. Allerdings gibt er zu, nicht in ihrer Nähe sein zu wollen, wenn die Löwin wieder zu sich kommt. - Das ist sehr beruhigend!
Die Reise geht weiter zum Wildreservat des 22 km breiten Ngorongoro-Riesenkraters. Gemeinsam mit einem Löwenexperten, dem Wildlife-Kameramann Hugh Maynard, ist Hopkins nun ein paar Tage per Land Rover unterwegs. Im fruchtbaren Gebiet des Kraters kann man die Löwenherden aus nächster Nähe beobachten, denn aufgrund des stetigen Fremdenverkehrs sind die wilden Tiere dort an Menschen und deren Automobile gewöhnt. Trotzdem: Den Jeep verlassen sollte man besser nicht!
Was Hopkins und Maynard nun von ihrem sicheren Standort aus erleben, ist ein faszinierendes Naturschauspiel. Das Verhalten der großen Katzen untereinander, ein flirtendes Löwenpaar sowie die Aufzucht der Jungen ist ebenso interessant, wie die blutige Jagd der großen Raubkatzen auf Zebras und Büffel. - Doch Hopkins muß bald ein Urteil revidieren: Hatte er ursprünglich den männlichen Löwen für den Inbegriff von Stärke, Tatkraft und Unabhängigkeit gehalten, so wird sehr bald deutlich, daß in Wirklichkeit die Weibchen die eigentlichen Anführer und Ernährer der Löwenfamilien sind. Der männliche Löwe ist aufgrund seiner Größe und der auffälligen Mähne für die Jagd völlig ungeeignet. Die Weibchen sind es, die den König der Tiere ernähren müssen. Um so mehr erstaunt es Hopkins, daß den Männchen dennoch stets der größte Anteil der Beute zusteht. Auch bei den Ritualen der Paarung scheint die Löwin die weitaus Aktivere zu sein. Hopkins und Maynard beobachten das Balzverhalten eines Löwenpaars. Das Weibchen unternimmt mehrere deutliche Annäherungsversuche, das Männchen jedoch zeigt sich gänzlich unbeeindruckt. Es rekelt sich lediglich müde und verschlafen im Sand. "He doesn't seem to give a damn!" kommentiert Hopkins das desinteressierte Verhalten des Löwen. "A real male chauvinist." Und den Blick auf ein weiteres gähnendes und faul in der Sonne dösendes Löwenmännchen gerichtet, meint Hopkins schließlich: "Whatever happened to the rampant lion of the royal crest?"
Die Reise ins Land der Löwen geht nun allmählich ihrem Ende entgegen. Wieder Zuhause im trauten Heim in London, wirft Hopkins einen mißtrauischen Blick auf sein Haustier, die Katze, die schnurrend auf ihrem Sessel sitzt und sich die Pfoten leckt.

Diese In the Wild-Dokumentation mit Anthony Hopkins besteht natürlich vornehmlich aus beeindruckenden Tier- und Landschaftsaufnahmen, wie wir sie bereits aus zahllosen anderen Filmen über die Löwen im Serengeti-Nationalpark kennen. Was diese Produktion jedoch von allen anderen Tierfilmen unterscheidet und so außergewöhnlich macht, das ist selbstverständlich der Umstand, daß Sir Anthony Hopkins als Präsentator und Erzähler fungiert. Und wie nicht anders zu erwarten, bewältigt Hopkins diese Herausforderung mit Bravour.
Auf die ihm eigene, unverwechselbare Weise gelingt es ihm, uns die Welt der Löwen näherzubringen und uns an seiner Faszination für diese Großkatzen teilhaben zu lassen. Dabei ist es nur zu begrüßen, daß Hopkins uns nicht mit präzisen und langatmigen wissenschaftlichen Abhandlungen über das Verhalten dieser Tiere langweilt. Er ist kein Wissenschaftler und verspürt nicht den Drang, alles Unerklärliche erklären zu müssen. Statt dessen nimmt er ganz bewußt den Standpunkt des objektiven Beobachters ein, der nicht belehren will und schon gar mit dem moralischen Zeigefinger aufwartet. Vielmehr stellt er sich und dem Zuschauer die Frage: "Who are we to judge the lion?"
Neben Anthonys unübertroffenem, leise ironischen Erzählstil, der aus dem off gesprochenen Schilderung dessen, was er im Land der Löwen erlebt hat, lohnt es sich insbesondere, auch die vor Ort geäußerten spontanen Bemerkungen des Schauspielers zu verfolgen. Da kommt unsereins aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus! Eins steht jedenfalls fest: In the Wild - Lions with Anthony Hopkins war die Reise wert!

© 1994 by Bettina B.
(Hopkins Files Nr.9)

 

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