The Innocent
Und der Himmel steht still...

GB / BRD 1993
Regie: John Schlesinger / Kamera: Dietrich Lohman / Drehbuch: Ian McEwan nach seinem Roman / Musik: Gerald Gouriet
Mit: Isabella Rossellini (Maria), Campbell Scott (Leonard Marnham), Anthony Hopkins (Bob Glass), Roland Nitschke (Otto) u.a.

"Als wir die Abschiedsszene am Flughafen Tempelhof gedreht haben, die ein wenig an den Schluß von Casablanca erinnert, konnte ich mir einen Scherz nicht verkneifen. Ich drehte mich zu Isabella und sagte: 'Das könnte das Ende einer wunderbaren Freundschaft sein!' - Sie fand das unheimlich komisch."
- Sir Anthony Hopkins -

Nach Der Zementgarten (Andrew Birkin) und Der Trost von Fremden (Paul Schrader) ist Und der Himmel steht still eine weitere Romanverfilmung des britischen Schriftstellers Ian McEwan.
Der Engländer Leonard Marnham (Campbell Scott) kehrt 1989 nach Berlin an seine alte Wirkungsstätte zurück. Während im Fernsehen die Bilder des Mauerfalls um die Welt gehen und sich die gesamte Stadt im Freudentaumel wiegt, steht Leonard ein Wiedersehen mit Maria (Isabella Rossellini) bevor. Erinnerungen werden wach:
Der junge Fernmeldetechniker Leonard, ein "Unschuldslamm" im wahrsten Sinne des Wortes, wird 1955 in die einstige Frontstadt Berlin versetzt. Seine Auftraggeber sind der britische und der amerikanische Geheimdienst MI6 und CIA. Leornard muß russische Telefonleitungen im Ostteil der Stadt anzapfen. Es handelt sich um die "Operation Gold", den berühmten Tunnelbau unter dem russischen Sektor, wohl eine der spektakulärsten Spionageaktionen in den Zeiten des kalten Krieges.
Doch der unbedarfte Leonard, der sich bald nicht nur mit seinem zwielichtigen Vorgesetzten, dem US-Geheimdienstler Bob Glass (Anthony Hopkins) herumzuschlagen hat, sondern auch vom MI6 unter Druck gesetzt wird, hat ganz andere Dinge im Kopf. Auf einer Sauftour durch das Berliner Vergnügungsviertel lernt er die schöne Maria, eine Deutsche, kennen. Trotz der Vorbehalte seines mißtrauischen und leicht paranoiden Vorgesetzten Glass, der hinter jeder Tür Kommunisten vermutet und Maria für eine russische Spionin hält, beginnt Leonard ein Verhältnis mit der Deutschen. Nachdem die ersten Schwierigkeiten in ihrer Beziehung überwunden scheinen und Glass die Deutsche auf mögliche Spionageaktivitäten überprüft hat, verloben sich Maria und Leonard. Doch die Verlobungsnacht wird zur Katastrophe: Maria ist bereits verheiratet und zwar mit dem brutalen Schläger und Trunkenbold Otto (Roland Nitschke), der dem Paar einen unerwarteten Besuch abstattet und verkündet, die Scheidungspapiere nicht unterschreiben zu wollen. Es kommt zur handgreiflichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf Maria den Ehemann erschlägt. Obwohl Maria in Notwehr gehandelt hat, sieht das Paar keinen anderen Ausweg, als Ottos Leiche in zwei Koffern verschwinden zu lassen. Doch wohin nun mit den Koffern?

Der authentische Fall der "Operation Gold", jene haarsträubende und absurde Geschichte um den berühmten Berliner Tunnelbau, hätte es schon lange verdient gehabt, verfilmt zu werden. Man fragt sich wirklich, warum dies erst jetzt geschehen ist, wo doch der Stoff alle Elemente einer aufregenden Spionagegeschichte besitzt. Während Schlesingers Film unmittelbar nach der Entdeckung des Tunnels durch die Russen endet, war im wirklichen Leben der Fall um die "Operation Gold" noch lange nicht abgeschlossen. George Blake, führender Mitarbeiter des MI6, wurde bald darauf als Doppelagent entlarvt und zu mehreren Jahrzehnten Zuchthaus verurteilt. Er hatte die Lauschaktion der westlichen Geheimdienste bereits lange vor Fertigstellung des Tunnels an den KGB verraten. Der russische Geheimdienst wußte schon seit 1953 über die "Operation Gold" Bescheid. Doch statt die gigantische unterirdische Abhöranlage des CIA und MI6 auffliegen zu lassen (damit wäre Blake frühzeitig als Doppelagent enttarnt worden), ließ man die Westmächte einfach munter weiterbuddeln. Schließlich waren es Bauarbeiter, die den Tunnel angeblich "zufällig" entdeckten. Doch damit noch nicht genug. Doppelagent Blake, der in London seine Strafe abzusitzen hatte, wurde kurz darauf aus dem Gefängnis befreit und mit einem Kleinbus nach Moskau befördert, wo er heute noch lebt. Damals vermutete man, daß der KGB hinter dieser spektakulären Flucht steckte, zu der sich dann aber Ende der 80'er Jahre zwei unbescholtene Mitglieder der britischen Friedensbewegung bekannten. In einem Prozeß, der diese 30 Jahre zurückliegenden Ereignisse wieder aufrollte, wurden die beiden freigesprochen.
Ian McEwans Roman Unschuldige benutzt diesen Hintergrund der "Operation Gold" für die Schilderung der fiktiven Liebesgeschichte zwischen Leonard und Maria. Hier sind es die Koffer mit Ottos Leiche, die mit dazu beitragen, daß die Russen dem Tunnel und der "Operation Gold" ein Ende setzen. George Blake ist nämlich der Name des Mannes, der im Buch im gleichen Haus wie Leonard wohnt und Alarm schlägt, als er den Fernmeldetechniker mit zwei Gerätekoffern, die zum Tunnel gehören, die Wohnung verlassen sieht. In Schlesingers Film kommt dieser Umstand leider nicht richtig zur Geltung, wie auch die Schilderung um die Entdeckung des Tunnels zugunsten der Lovestory viel zu kurz kommt. Die "Operation Gold" dient im Film lediglich als Rahmenhandlung, während die Spannung ausschließlich aus der Beseitigung von Ottos Leiche herrührt. Eigentlich ein wenig seltsam, wenn man bedeckt, daß der Tunnelbau an sich doch auch eine sehr aufregende und spannende Filmgeschichte hätte sein können. Aber was im Buch funktioniert, gelingt in der Verfilmung nicht. Die beiden Handlungsstränge laufen an den meisten Stellen unzusammenhängend nebeneinander her. Besonders der Schluß des Films läßt viele inhaltliche Fragen offen.
Doch obwohl Und der Himmel steht still gewisse dramaturgische Unstimmigkeiten aufweist, kommt der Kinogänger auf seine Kosten. Mit einer großen Portion schwarzen Humors schildert der Regisseur die Beseitigung von Ottos Leiche, und man spürt förmlich, welches diebische Vergnügen Schlesinger daran hat.
Ein weiteres großes Lob gilt der Auswahl der Schauplätze in Berlin sowie den Nachbauten des Tunnels und des Tanzlokals Resi in den Babelsberger DEFA-Studios. Mit einem Auge für Details läßt Schlesinger das Berlin der 50'er Jahre glaubhaft und authentisch wieder auferstehen.
Was Und der Himmel steht still weit über den Durchschnitt hinaus wachsen läßt, sind aber in erster Linie die großartigen Hauptdarsteller, allen voran Sir Anthony Hopkins. Aber da meine Meinung zu diesem Thema nicht gerade objektiv ist, will ich dazu gar nicht viel sagen, sondern statt dessen kurz eine PRINZ - Kritik (von Paul Varjak) zitieren: "Anthony Hopkins würde wohl auch als Telefonzelle noch überzeugend wirken. Wie der Waliser den dubiosen Geheimdienstler Glass mit zackiger Leutseligkeit und schmierigem Sympathiegeheische spielt, ist eine Klasse für sich".
Isabella Rossellini, die ihrer Mutter Ingrid Bergman immer ähnlicher wird, spielt die Rolle der Maria ebenfalls großartig. Neben diesen Schauspielerkollegen hat es der Amerikaner Campbell Scott sehr schwer und wirkt an einigen Stellen auch leider recht blaß. Im Grunde genommen weiß man eigentlich nicht, was Maria überhaupt an diesem jungen, wenig außergewöhnlichen Mann findet... (Um so glücklicher ist man dann, daß sie am Ende schließlich doch die richtige Wahl trifft! Obgleich ich wohl im Kino der einzige war, der das so sah!) Jedenfalls hatte ich großen Spaß an Schlesingers Film, bei dem einem so manches mal das Lachen im Halse stecken bleibt.

© 1993 by Bettina B.
(Hopkins Files Nr.7)

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