Instinct
Instinkt

USA 1999
Regie: Jon Turteltaub / Produzent: Michael Taylor u. Barbara Boyle / Drehbuch: Gerald DiPego, sehr frei nach dem Roman Ishmael von Daniel Quinn / Musik: Danny Elfman
Mit: Anthony Hopkins (Ethan Powell), Cuba Gooding Jr. (Theo Caulder), Donald Sutherland (Ben Hillard) u.a.

Der Schein trügt

Wenn wir in ruhigen Momenten entspannt durch die Wälder schreiten, haben wir uns dann nicht alle schon einmal vorgestellt, wie schön und friedlich diese Welt doch sein könnte, hätte man sie so belassen wie sie vor Urzeiten war - als der Mensch noch in völligem Einklang mit der Natur war? Wahrscheinlich hegten solche Gedanken schon viele von uns Menschen, doch im nächsten Moment, wenn wir aus dem grünen Baumdschungel herausgetreten waren, stiegen wir in unser Auto und fuhren nach Hause, um uns vor den Fernseher oder vor den Heimcomputer zu setzen.
Und somit waren wir wieder im Progressionstrott: Technik pur, Innovation pur, viel Erleichterung im alltäglichen Leben - doch leider auch genauso viel Verminderung von zwischenmenschlichen Kontakten, einem gesunden Verhältnis zur Natur und der klägliche Verlust von körpereigenen Abwehrkräften durch übermäßige Verpäppelung mit Heizung und Regencape.
Der Film Instinkt setzt irgendwo dazwischen an, macht unter anderem auf die Denaturalisierung des Menschen aufmerksam, weist aber vor allem auf die enorme Arroganz des Menschen hin, der sich alles zu eigen machen will. Der Mensch entriß der Erde einen Großteil ihrer Grünheit, rodete, zerstörte und packte Häuser darauf. Dem nicht genug, es folgten Fabriken, Atomkraftwerke, etc. - alles Gifte für die Natur. Doch damit war der menschliche Übermut immer noch nicht am Ende: Man versklavte alle Tiere, machte sie sich Untertan, machte sie sich zu eigen. Zwischenzeitlich versklavte man sogar eigene menschliche Volksgruppen, doch das ist ein anderes Thema...
Aber auch das ist noch nicht die Gesamtheit der Botschaft von Instinkt. Es geht auch um die direkte menschliche Freiheit, die Freiheit, das zu tun und zu lassen, wonach einem gerade der Sinn steht. Kann ein Mensch mit einem strikt geregeltem Tagesablauf (aufstehen, arbeiten, einkaufen, fernsehen, schlafen) wirklich von sich behaupten, frei zu sein? Kann man frei sein, wenn man versucht, es irgendwelchen Menschen recht zu machen und so seine eigene Meinung in den Hintergrund rückt, nur um dies oder das zu erreichen? All diese Fragen bearbeitet der Film auf beeindruckende Weise, gibt keine expliziten Antworten, jedoch sehr konstruktive Denkanstöße.

Inhalt

Der Anthropologe Dr. Ethan Powell (Anthony Hopkins) sitzt in Afrika wegen zweifachen Mordes im Gefängnis. Eines Tages wird er der USA übergeben und dort in die psychiatrische Abteilung eines maroden Gefängnisses in Miami eingewiesen. Dort herrschen grausame Verhältnisse: Aufseher prügeln zu ihrem eigenen Spaß die Gefangenen und versuchen, die Gefangenen gegeneinander aufzuhetzen. Währenddessen steht der junge Psychiater Dr. Theo Caulder (Cuba Gooding, jr.) vor dem Durchbruch in einem kniffligen Fall. Als ihm sein Vorgesetzter Ben (Donald Sutherland) vom Fall Powell erzählt, möchte Theo diesen übernehmen, um seine Karriere damit einen entscheidenden Schritt voranzutreiben. Er bekommt seine Chance und darf das Gutachten schreiben. Nur sehr langsam gelingt es Caulder an Powell heranzukommen und ihn zu den damaligen Vorfällen in Afrika zu befragen. Schließlich teilt ihm Powell die ganze Geschichte mit: Ethan war damals in Afrika, um das Verhalten von Berggorillas zu beobachten. Im Laufe der Zeit akzeptierten die Tiere den Mann als einen Gruppenangehörigen. Irgendwann wurde die Idylle von einer Gruppe afrikanischer Wilderer jäh zerstört. Als Powell seine Gorillagruppe verteidigen wollte, kamen dabei zwei der Wilderer ums Leben. Nachdem Theo die ganze Wahrheit weiß, glaubt er, dass Powell bei einer Anhörung vor Gericht gute Chancen auf eine Freilassung haben würde. Doch aufgrund der untragbaren Verhältnisse im Gefängnis kommt es niemals dazu...

Gedanken

Dieser Film ist wahrlich erstaunlich. Zunächst, wenn man Dr. Ethan Powell in der Anfangsszene durch den Flughafen flitzen sieht, hat man das Gefühl und zudem das offensichtliche Faktum vorliegen, es mit einem brutalen Wilden zu tun zu haben. Kraftvoll schmeißt er sich gegen jeden Menschen, der ihm in den Weg kommt, den letzten, den er ergreifen kann, schlägt er sogar fast tot. Viele Filmminuten später sieht man dann die ganze menschliche Herrlichkeit des Dr. Ethan Powell: Er sitzt mit seiner Tochter Lyn am Tisch und führt ein sehr gefühlvolles Gespräch, ergreift am Schluß sogar noch zärtlich ihre Hand. Diese Entwicklung des Anthropologen vom scheinbar Wilden zum geschniegelten Anzugträger ist aber keineswegs unrealistisch oder plötzlich. Ganz im Gegenteil. Nachdem man nach und nach die Geschichte des Dr. Powell und seiner Gorillas erfahren hat, ist es eigentlich absehbar, dass er ein völlig normaler Mensch ist und sich auch so verhält bzw. dementsprechend verhalten kann. Hierzu trägt in enormen Maße Theo bei. Er ist in dem abscheulichen Gefängnis der einzige, der den Anthropologen mit Würde und Respekt behandelt. Denn ganz anders, als man vorher dachte, hat Powell während seiner zwei Jahre inmitten der Gorilla-Gruppe nicht das Verhalten der Tiere angenommen, wurde nicht zu einem von ihnen, sondern waren es die Gorillas, die ihn akzeptierten, die ihn als Mensch in ihrer Mitte aufnahmen. Das einzige, was Powell tat: Er hatte aufgrund der neuen Lebensbedingungen im Dschungel seine ureigenen Instinkte wiederaufleben lassen - war aber immer noch ein Mensch, es hat, wie Powell im Gespräch mit Caulder selbst sagt, "keine Mutation" stattgefunden.
Das einzige, was sich an Dr. Ethan Powell im Laufe der Jahre im Dschungel verändert hat, ist seine Meinung bezüglich der menschlichen Freiheit. Seiner Meinung nach ist nicht nur er, der im Gefängnis sitzt, unfrei, sondern alle Menschen, wie auch Theo, sind aufgrund ihres festgelegten Tagesablauf, mit allerlei Obligationen und Verpflichtungen verbunden, nicht frei. Im Laufe des letzten Gespräches mit Theo kann ihm dieser dann aber doch klarmachen, dass es so etwas wie Freiheit sehr wohl gibt, wenn man nur daran glaubt und dafür kämpft. Dies tut der Anthropologe zum Schluß des Filmes dann auch, auf seine eigene Art. Während bei Ethan also keine wirkliche Entwicklung stattfindet, sondern eher eine sukzessive Öffnung der Figur, ist der Charakter des Theo äußerst dynamisch. Zunächst nur auf Karriere und Anerkennung bedacht, registriert er nach und nach, dass man bei allem Erfolgsdrang Menschen mit Respekt behandeln muß und auch Schwerverbrechern ein menschenwürdiges Leben ermöglichen sollte. Zum Schluß des Filmes wirft er sogar all seine vorherigen Prinzipien über Bord und stellt sich eher auf die Seite der Insassen als auf die des Gefängnispersonals. Er hat erkannt, dass Karriere nicht das wichtigste im Leben ist.

Darstellung

Alle Schauspieler legen sich in diesem Film mächtig ins Zeug und können absolut überzeugen. Mit weitem Abstand brillieren hier aber vor allem Cuba Gooding, Jr. und Anthony Hopkins. Gooding kann hier besonders aufgrund seiner Mimik und seiner etwas yuppiehaften Darstellung überzeugen. Es ist klasse, wie er als Caulder die schlauen Worte des Anthropologen beispielsweise mit passenden Anmerkungen über dessen Familie auskontert. Hopkins spielt wie gewohnt überragend, begeistert sowohl durch seine eindringlichen Erzählungen über das Zusammenleben seiner Figur mit den Berggorillas als auch durch die Kraftakte, die er im Laufe des Filmes vollbringt.
Meine Lieblingsszene ist die, in der Powell Theo in den Schwitzkasten nimmt und ihm auf rabiate, aber auch sehr eindringliche, Art und Weise klarmacht, dass der Mensch weder Kontrolle noch Freiheit besitzt. Statt dessen habe er Unmengen von Illusionen, die man aber sehr schnell zerschlagen könne.

Fazit

Ein ungewöhnlicher Film, der aber auch ungewöhnlich gut und ausdrucksstark ist. Es ist mir unbegreiflich, warum er so miserable Kritiken erhalten hat. Vielleicht wollten die Kritiker die Mißstände, die in Instinkt aufgezeigt werden, nicht wahrhaben.

© 2001 by Nadine S.

 

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