Legends of the Fall
Legenden der Leidenschaft

USA 1995
Regie: Edward Zwick / Produzent: Edward Zwick, Bill Witliff und Marshall Herskovitz / Drehbuch: Susan Shilliday und Bill Witliff nach einer Erzählung von Jim Harrison / Musik: James Horner
Mit: Brad Pitt (Tristan), Anthony Hopkins (William Ludlow), Aidan Quinn (Alfred), Julia Ormond (Susannah), Henry Thomas (Samuel) u.a.

Legenden des Nicht-Verstehens

Gerade bin ich im Kino gewesen.
Die erste Freude überraschte mich dabei bereits unerwarteterweise beim Eintrittspreis, der mit 8,-- DM weit unter dem sonst üblichen zu zahlenden Durchschnitt lag. Warum? Egal, - fröhlich (wie sonst nur, wenn man für Parkettpreis in der Loge residiert, heimlicherweise), völlig unvoreingenommen (was sonst) und gelassen wartete ich, warteten wir alle im Saal auf diesen Film von und über Leidenschaften...
Gleich vorab: Der Film hat mein persönliches Phlegma leider nicht überrumpeln können, nicht einen Augenblick lang - jedenfalls nicht so, wie es dieser Film laut Kritiken zu Inhalt und Anspruch wohl hätte tun sollen. Ich saß, schaute und schüttelte mich...
TRISTAN, oh TRISTAN, du hast uns natürlich in Deinen Bann gezogen! Wie du Dich - scheinbar nicht alternd - durchs Leben, die Liebe, die Leidenschaften kämpfst, wie Du brutal(st)e Schläge des Schicksals wegsteckst, wie Du einsam, unverstanden, verzweifelt Deine Wege suchst! Ja, Tristan, Dir passiert viel Schreckliches, schrecklich viel, so viel, daß es für einen Normalsterblichen (wie z. B. der X-beliebigen Kinobesucherin A.J.) kaum zu verkraften ist.
Alleine Deine Schicksalsschläge auf der Leinwand zu verfolgen, sie anzusehen, ist kaum zu schaffen. Die diversen eingeflochtenen mystischen Erklärungsansätze fliegen vorbei wie Bahnhofstauben - man sieht sie und weiß nicht recht, was sie da wollen und sollen. Es ist so viel gut gemeint bei diesem Film - beim Erzählen Deiner Geschichte, aber das einzige, was bleibt, sind Fragen, Fragen, Fragen - bloßes Unverständnis also.
Vor allem die Frage, warum Sir Anthony in diesem Streifen mitgewirkt hat, blieb als dominierende in meinem Bewußtsein hängen. Denn was konnte mir der Film geben? Was hatte er zu sagen, und womit konnten sich die mitwirkenden Schauspieler demzufolge identifizieren?
Mager, mager, was ich da an Antworten ins Bewußtsein hieven, mühsamst hervorkramen muß - denn dieser Film ist so ganz anders als die Art Filme, die ich liebe. Filme, in denen langsame Bilder und Geschehnisse sich zu einem Ganzen formen, die komplex etwas (Leben) festzuhalten versuchen. Die Art Filme also, in denen sich Fragen zwar auch überschneiden und sich verflechten, in denen sie sich aber auch klären und entwirren und Antworten bieten. Denn unser Leben besteht doch auch nicht nur aus den äußeren, sichtbaren Geschehnissen, sondern eben aus dem, was uns innerlich ausmacht, was sich in uns entwickelt, abspielt, begründet. Etwas, das man in glücklichen Momenten erkennen und kurz festhalten kann. Die Kunst kann dabei helfen - Filme zum Beispiel.
Legends hat leider "nur" Unterhaltungswert (für mich). Die einzelnen Charaktere werden nicht lebendig, ich sehe nur Agierende, Ausführende, Erlebende. Ich erfahre nicht, warum der Einzelne so und so empfindet, wie sich sein Denken mit dem Handeln verflechtet, was in ihm vorgeht. Mr. Zwick bietet lediglich halbe Figuren an (und zum Glück ist der Film mit exzellenten Schauspielern besetzt, die das Wenige zumindest farbenfroh ausfüllen können).
Es bleibt so viel offen - warum verabscheut der Colonel den Krieg so, was hat er warum gegen Politik (die er doch sein halbes Leben lang von innen heraus mitgestaltet hat)? Warum haben sich er und seine Frau entzweit? Warum ist Susannah zwischen allen drei Ludlow-Brüdern hin- und hergerissen? (Warum entscheidet sie sich nicht einfach für den Colonel, haha)? Wer ist sie also, wie sieht ihre Vergangenheit aus?
Undsoweiterundsoweiter - es sind der Fragen zu vieler. Ein paar schlaue Sätze und Weisheiten - dann und wann ins Geschehen geschmissen - sagen oder begründen doch rein gar nichts. Sie lassen höchstens die vorherrschende Leere noch sichtbarer werden, die trotz der schnellen Folge diverser Ereignisse und Schicksalsschläge den Grundton dieses Filmes ausmacht.
Ich finde nichts in und an dem Film, an dem ich mich festbeißen und von da an hineinversenken könnte. Absolut nichts. Und die vielen (dadurch verursachten) Fragen stürzten nach einer Stunde nur noch als unverdaute Tragik-Lawinen in mein Innerstes hinab. Und was taten sie da? Sie kamen als großes, befreiendes Lachen wieder herauf! Meinen mitleidenden Mitschauern ging es ebenso: links rechts vor hinter mir - lachen und gackern und zwei Mal sogar Applaus für eine als besonders komisch empfundene Szene dieses Film-Epos' über gewisse Legenden der Leidenschaft. Das Publikum war regelrecht harmonisch vereint durch diese gemeinsame Fröhlichkeit!
Zu viel Pathos (in Bild und Wort), zu viele Emotionen, zu viele versteckte Gründe - und vor allem auch dieser schlaganfallgeschädigte Alte unter Hippie-Perücke und Bärenfell waren für die Massen im Kinosaal unverkraftbare, unglaubwürdige Eindrücke und konnten nur durch Lachen kompensiert werden. Ist das zu verübeln?
Ich bin einfach nur ratlos - bin ich zu abgehärtet oder innerlich nur unvermögend, Sinn, Gründe Tragik dieses Filmes zu erkennen? Warum konnte ich kaum noch Luft holen, wenn Sir Anthony mit seinem Schultäfelchen agierte? Wann hat er das letzte Mal so dermaßen geschauspielert?
Es heißt, Kunst soll weh tun. Nicht alles, was weh tut, muß aber zwangsläufig Kunst sein. Als Schulbeispiel dafür könnte Legenden der Leidenschaft in die Geschichte eingehen.
Wenn nicht Sir Anthony in diesem Film dabei wäre, würde ich ihn sofort - subjektiv und überheblich - als unglaublichen und aufgeblähten Kommerz-Scheiß belachen, der typisch ist für unsere oberflächliche Zeit mit ihren oberflächlich zu unterhaltenden Menschen. Da hab' ich aber noch mal Glück gehabt, daß ich mich trotzdem amüsiert habe, irgendwie. Und unterhalten! Deshalb schweige ich hier und ärgere mich lieber im Stillen weiter.

© 1995 by Anne J.
(Hopkins Files Nr.13)

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