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Nixon
NixonUSA 1995
Regie: Oliver Stone / Produzenten: Clayton Townsend, Oliver Stone & Andrew G. Vajna /
Drehbuch: Stephen J. Rivele, Christopher Wilkinson & Oliver Stone / Musik: John
Williams
Mit: Anthony Hopkins (Richard Nixon), Joan Allen (Pat Nixon), Powers Boothe (Alexander
Haig), Ed Harris (E. Howard Hunt), Bob Hoskins (J. Edgar Hoover), James Woods (H. R.
Haldeman), Paul Sorvino (Henry Kissinger) u.a.
Noch dies und jenes zu Nixon
Zunächst einmal muß ich gestehen, daß ich eigentlich nie
ein großer Fan von Regisseur Oliver Stone gewesen bin. Wenn ich einen Blick auf seine
Filmographie werfe, so kenne ich dennoch zumindest seine populärsten Regiearbeiten Platoon,
Born on the 4th of July, The Doors und JFK. Seinen bisher wohl
umstrittensten Film - Natural Born Killers - habe ich mir allerdings bis heute noch
nicht angesehen. Dies jedoch nicht etwa aus irgendwelchen pseudo-moralischen Bedenken, die
angeblich so gewaltverherrlichende und menschenverachtende Thematik des Films betreffend,
sondern vielmehr, weil mich Oliver Stones Meinung zum Thema "Serienkiller" und
die Art und Weise, wie die Medien damit umgehen, irgendwie nicht so sonderlich
interessiert hat. (Zumal ohnehin spätestens seit The Silence of the Lambs alles
gesagt worden ist, was es über die Abgründe der menschlichen Seele zu sagen gibt!)
Die Filme von Oliver Stone, die ich vor Nixon gesehen habe, waren mir jedenfalls
oft ein Ärgernis, wobei ich seltsamerweise nicht einmal genau sagen könnte, warum. Ich
schätze, es hat etwas mit der Person Oliver Stone zutun, damit, daß ich ihn stets für
einen Moralisten und Agitator gehalten habe, einen Filmemacher, dem es in erster Linie
darum geht, dem Zuschauer seine Wertvorstellungen und politischen Ansichten unterzujubeln,
wobei er sich dabei immer wieder zu Recht vorwerfen lassen mußte, es mit der historischen
Wahrheit nicht immer hundertprozentig genau zu nehmen.
Natürlich ist absolut nichts dagegen einzuwenden, wenn Filme eindeutig politisch Stellung
beziehen; Auch ist in diesem Zusammenhang nichts gegen Oliver Stones linke politische
Überzeugung zu sagen. (Nachdem Rambo den Krieg in Vietnam nun doch im Nachhinein
noch gewonnen hatte, waren die Antikriegsfilme Platoon oder auch Born on the 4th
of July zweifelsohne unbedingt notwendig!)
Trotzdem: Oliver Stones Filme waren für meinen Geschmack oft zu schulmeisterlich, zu
belehrend. Als ob es die ganz persönliche Berufung dieses Regisseurs sei, als Chronist
der amerikanischen Gesellschaft seiner Nation immerzu Geschichtsunterricht zu erteilen.
Die historischen Fakten drehte und wendete er dabei oftmals so, daß sie in sein
politisches Konzept paßten, was letztendlich der guten Sache, die seine Filme stets
engagiert vertreten, immer mehr zu schaden als von Nutzen zu sein schien. Selbst wenn die
Quintessenz seiner Filme meiner eigenen Einstellung durchaus nahekommt, habe ich es immer
sehr bedauert, daß Oliver Stone stets irgendwelche spektakulären Verschwörungstheorien
aus dem Ärmel ziehen mußte, um seinen Standpunkt zu untermauern. Den meisten seiner
Filme fehlt es dadurch an Glaubwürdigkeit, was seine Gegner zudem immer wieder in die
Lage versetzte, ihn einfach als bloßen Märchenerzähler und Geschichtsverdreher abtun zu
können. Ja, Oliver Stones offensichtliche Besessenheit, die Drahtzieher an Kennedys
Ermordung ausfindig zu machen, ließ seine Gegner gar polemisieren, daß man auch mal
nachforschen sollte, wo sich denn eigentlich Oliver Stone zum Zeitpunkt dieses Attentats
aufgehalten hat!
Zwar boten die teilweise an den Haaren herbeigezogenen Verschwörungstheorien von Oliver
Stone immer wieder Anlaß zu heftigen öffentlichen Diskussionen (was ja auch wiederum die
Kinokassen kräftig klingeln ließ), führten aber dennoch dazu, daß er und seine Filme
letztendlich eher belächelt denn ernst genommen wurden. Schade eigentlich um eine solche
Verschwendung von so vielen guten und wichtigen Filmthemen!
Daß dieser umstrittene Regisseur nun beabsichtigte, einen Film mit Anthony Hopkins über
das Leben von Richard Nixon zu drehen, habe ich also aus ebendiesen Gründen zunächst mit
Entsetzen zur Kenntnis genommen. Welches Märchen würde uns Oliver Stone diesmal
auftischen? Welche neue Verschwörungstheorie, welche Kontroverse? Und vor allen Dingen:
Warum ließ sich ausgerechnet Anthony Hopkins vor Oliver Stones politischen Karren
spannen?? Warum riskierte er es, sein Image für diese Rolle aufs Spiel zu setzen?
Noch bevor die Dreharbeiten zu Nixon überhaupt begonnen hatten, meldeten sich dann
bereits die ersten bösen Stimmen lautstark zu Wort; Republikaner und unverbesserliche
Nixon-Anhänger machten sich ungeniert daran, den Film in der Luft zu zerreißen, bevor
von Nixon auch nur eine einzige Aufnahme im Kasten war. Das konnte ja nicht mit
rechten Dingen zugehen. Hatten diese Leute etwa Angst, daß Oliver Stone zur Abwechslung
mal ins Schwarze treffen und ein paar im Nixon-Keller versteckte Leichen ausgraben
könnte? Wozu das ganze Theater um einen Film, der noch gar nicht abgedreht war?
Das alles versprach äußerst spannend zu werden...
Auch war ich inzwischen davon überzeugt, daß mir dieser Streifen von Regisseur Stone
ausnahmsweise mal gefallen würde. Denn ein Film, der von Republikanern und sonstigen
konservativ Rechten im voraus bereits derart angefochten und niedergemacht wurde, der
mußte ganz einfach nach meinem Geschmack sein!
Schließlich und endlich kam Nixon dann Ende 1995 in die amerikanischen Kinos und
wurde in den USA wie nicht anders zu erwarten gleich zum Gesprächsthema Nummer 1. Dies
nicht zuletzt, weil die Produktionsgesellschaft Hollywood Pictures (ein Teil der Walt
Disney Company) am Ende doch noch kalte Füße bekommen hatte: Disneys Töchter hatten
nichts Besseres zu tun, als sich in einem offenen Brief von Oliver Stones Film zu
distanzieren und sich bei der Familie von Richard Nixon für diese Produktion zu
entschuldigen. Dem Regisseur wurde vorgeworfen, Rufmord an Amerikas 37. Präsidenten
begangen zu haben.
Die Krone der Unverfrorenheit (oder besser: Dummheit) trug in diesem Zusammenhang jedoch
ein republikanischer Politiker (dessen Namen ich vergessen habe, was aber auch nicht
weiter tragisch ist), der in einem Interview auf dem Nachrichtensender CNN den Standpunkt
vertrat, daß er Oliver Stones Film nicht gesehen haben müßte (er hatte ihn in der Tat
noch nicht gesehen), um sagen zu können, daß er absolut nichts mit der Wirklichkeit
zutun habe, abgrundtief schlecht und zudem mit Anthony Hopkins in der Titelrolle überaus
fehlbesetzt sei. Was sagt man nur zu so viel Ignoranz und Selbstherrlichkeit?
Am besten ging man selbst ins Kino und bildete sich sein eigenes Urteil.
Durchaus abschreckend war es schon, daß dieser Film über drei Stunden lang sein sollte.
Nichts gegen dreistündige Filme (obwohl ich nach wie vor der Meinung bin, daß fast jede
Story auch in zwei Stunden erschöpfend erzählt werden kann), doch mit Sicherheit trug
diese extreme Überlänge entscheidend dazu bei, daß Nixon nur vergleichsweise
wenig Leute in die Kinos zog. Denn wer sitzt schon gerne über drei Stunden lang auf
unbequemen Kinositzen in meist schlecht klimatisierten Räumen? Ein Film wie Nixon
konnte wohl nur diejenigen ins Kino locken, die an amerikanischer Politik interessiert
oder Fans von Anthony Hopkins oder Oliver Stone waren. Da half es wenig, daß Nixon
von der Filmkritik überwiegend positiv, teilweise sogar euphorisch besprochen wurde. Ein
Blick auf aktuelle Kinocharts gibt Aufschluß darüber, daß gute Kritiken nicht
zwangsweise gute Einspielergebnisse bedeuten. (Oft scheint es sogar eher umgekehrt. Denn
wie sonst kann es passieren, daß Filme wie Paul Verhoevens Showgirls oder Jim
Carreys Ace Ventura II immer wieder ganz oben in den Charts zu finden sind?)
Daß die Überlänge von Nixon sogar auf einen eingefleischten Hopi wie mich
Eindruck machte, merkte ich daran, daß ich ausnahmsweise mal nicht sofort die Kinos
stürmte, als dieser neuste Hopkins-Streifen endlich auch in Deutschland anlief. Ich ließ
mehr als eine Woche verstreichen, bevor ich mich zu diesem langen Kinobesuch entschließen
konnte.
Obwohl auch ich Die Unbestechlichen mit Dustin Hoffman und Robert Redford kannte
und zudem der Überzeugung war, über die Watergate-Affäre und Präsident Nixon
eigentlich gut Bescheid zu wissen, fühlte ich mich von diesem Film doch zunächst
reichlich überfordert und verbrachte die ersten 30 Minuten damit, mir all die Namen, die
einem von Beginn an nur so um die Ohren geworfen wurden, zu merken und den Gesichtern
zuzuordnen. Die filmische Dramaturgie, die schnellen Schnitte und Szenenwechsel, die
zunächst verwirrenden Rückblenden und Zeitsprünge machten es dem Zuschauer nicht gerade
leicht, in diesen Film einzusteigen und den Überblick zu behalten. (Es wäre wohl doch
ratsam gewesen, sich angemessen auf dieses Werk vorzubereiten und vorher noch eine
Nixon-Biographie zu lesen!)
Aber so nach und nach klärten sich dann die Verständnisprobleme. Ich war jetzt
mittendrin in diesem Film, der mir, jetzt, da ich der Handlung folgen konnte, von Minute
zu Minute besser gefiel. Auch die vielen Schnitte, die schnelle Abfolge der Bilder, die
teilweise hektische Kameraführung und der ständige Wechsel zwischen Farb- und
Schwarzweißaufnahmen waren letztendlich hilfreich, um als Zuschauer in die Zeit der
sechziger und siebziger Jahre einzutauchen und die politische und gesellschaftliche
Atmosphäre dieser Jahre nachzuvollziehen. Das erinnerte zwar zeitweise an die
Montagetechnik von Videoclips, war aber dennoch spannend und niemals langweilig. Und immer
dann, wenn der Film Gefahr lief, aus dem Gleichgewicht zu geraten und den Zuschauer mit
seiner Flut von Bildern zu erschlagen, war da Anthony Hopkins' rettende Schauspielkunst,
die zweifelsohne der größte Pluspunkt war, den dieser Film zu bieten hatte.
Selbst ein Hopi wie ich, der von sich behauptet, die typisch hopkinsche Gestik und Mimik
mittlerweile in- und auswendig zu kennen, ließ sich oftmals täuschen und vergaß
zeitweise, daß dies Anthony Hopkins und nicht Richard Nixon war. Am Ende hatte ich gar
vergessen, wie der echte Nixon überhaupt auszusehen hatte!
Ausschlaggebend für Hopkins' Verwandlung waren nicht etwa die falschen Zähne, die
braunen Kontaktlinsen oder das dunkle Haarteil, sondern vielmehr seine gesamte, leicht
geduckte Körperhaltung. Großartig auch die Momente, in denen Hopkins' Nixon wie eine
ferngesteuerte Marionette urplötzlich dieses maskenhaftes Lächeln aufsetzt und der
breiten Masse präsentiert. Wenn ich mir die Frage stelle, welcher andere Schauspieler
eigentlich diesen Präsidenten ähnlich brillant hätte darstellen können, fällt mir
wirklich niemand ein. Selbst Robert de Niro hätte sich wohl lächerlich gemacht, und
genau dieser Umstand ist es, der Sir Anthony Hopkins (spätestens seit diesem Film)
eindeutig zum größten lebenden Charakterdarsteller unserer Zeit macht. Es ist meines
Erachtens ein Skandal, daß es für diese mutige Darstellung, diese einzigartige
Glanzleistung nicht den verdienten Oscar gab. (Zum Ausgang der diesjährigen
Oscarverleihung aber später noch ein paar böse Worte mehr!)
Nixon ist in erster Linie ein wunderbarer und erstklassiger Schauspielerfilm. Neben
Hopkins verbringen sie alle wahre Wunder, angefangen vom großartigen Paul Sorvino (Henry
Kissinger) über Joan Allen (Pat "Buddy" Nixon), Mary Steenbergen (Nixons
Mutter) und James Woods (Haldeman) bis hin zum herrlich selbstironischen Gastauftritt von
Larry Hagman. Alles in allem eine nahezu perfekte Besetzung. Einer der wenigen
Schwachpunkte des Films (neben der Überlänge!) waren für mich die Szenen, in denen
Nixon mit Mao Tse-tung und Leonid Brezhnev zusammentrifft und die, von Oliver Stone wohl
durchaus bewußt als Persiflage inszeniert, sehr überzeichnet und albern wirkten.
Natürlich kommt auch dieser Film nicht ohne eine nette Verschwörungstheorie in Bezug auf
Kennedys Ermordung aus, wenngleich sich Oliver Stone diesmal erstaunlich zurückhält und
immerhin nicht Nixon zum Drahtzieher des berühmten Attentats macht. Sein Interesse gilt
weniger dem Politiker als vielmehr dem Menschen Richard Nixon. Und genau hier liegen auch
die Stärken des Films. Wie in jedem klassischen Psychodrama geht Oliver Stone auf
Spurensuche in Nixons Kindheit und Jugend. Bei dem Versuch, die möglichen Ursachen für
Nixons Ambitionen, innere Zerrissenheit, seine Besessenheit, sein Machtstreben und
übersteigertes Geltungsbedürfnis, seine letztendlich paranoide Persönlichkeit
aufzudecken, war der Regisseur und Drehbuchautor nun mal zwangsweise auf Spekulationen
angewiesen. Diese Charakterstudie macht jedoch, so wie ich es sehe, keinen Hehl daraus,
daß sie Fiktion ist. Die Frage, ob Richard Nixon wirklich so war und ob sich die
Ereignisse wirklich so zugetragen haben, ist deshalb auch eher nebensächlich, um nicht zu
sagen: Uninteressant! Anthony Hopkins zeichnet von Nixon das Bild einer tragischen Gestalt
im Format eines klassischen Shakespeare-Helden. Und wer käme heutzutage denn ernsthaft
auf die Idee, Shakespeares Tragödien Macbeth oder Richard III. danach zu
beurteilen, ob sie auch wirklich authentisch und historisch belegt sind; Ob sie irgend
etwas mit den historischen Persönlichkeiten Macbeth oder Richard III. zu tun haben? Wenn
man also William Shakespeare sämtliche künstlerischen Freiheiten gestattet, sollte dann
nicht das gleiche (ohne beide miteinander vergleichen zu wollen!) auch für einen
Filmemacher wie Oliver Stone gelten?
Ich für meinen Teil möchte allerdings bezweifeln, daß mir Richard Nixon nach diesem
Film nun sympathisch geworden ist. Durch das Aufzeigen von Ursachen und biographischen
Hintergründen kann man die Handlungsweisen eines Machtpolitikers wie Nixon zwar verstehen
und nachvollziehen, doch macht es ihn dadurch gleich sympathisch? Kann man dadurch, daß
man Verständnis für diesen Menschen aufbringt, sein Handeln rechtfertigen oder gar
entschuldigen? Ich finde nicht. Auch habe ich kein Mitleid mit Nixon. Schließlich ist er
für Watergate nie zur Rechenschaft gezogen worden; Im Grunde ist er sogar äußerst
glücklich mit einem blauen Auge davongekommen.
Mitleid könnte ich höchstens für die eigentlich an Größenwahn grenzende, fixe Idee
aufbringen, von einem ganzen Volk geliebt werden zu wollen. Wer mit einem solchen Anspruch
an sich selbst in die Politik geht, der muß zwangsweise stolpern und scheitern. Nixon hat
seine Chance bekommen, diese aber letztendlich nicht nutzen können.
Oliver Stone macht hier diesmal nicht den Fehler, belehren zu wollen, sich politisch
festzulegen oder vorschnell ein Urteil über Nixon parat zu halten. Er stellt die
Ereignisse dar und entwickelt das Leben Richard Nixons, ohne dabei Partei zu ergreifen,
moralisch zu bewerten oder gar ständig mit dem erhobenen Zeigefinger zu winken. Dem
Zuschauer bleibt es am Ende selbst überlassen, Schlüsse zu ziehen und sich eine Meinung
zu bilden. Das macht für mich zumindest den Film Nixon sehr sympathisch.
Um so mehr ist es zu bedauern, daß Nixon in den USA von einer Hetzkampagne
begleitet und niedergemacht wurde, die den Film am Ende dann doch in die politisch linke
Ecke drängen konnte. Ein Mißverständnis, das zweifelsohne nur durch Oliver Stones Ruf
des umstrittenen Filmemachers und politischen Querdenkers zustande kam. Hätte Stone unter
einem Pseudonym gearbeitet, wäre diese Auseinandersetzung mit dem Leben Richard Nixons
wohl von vielen Seiten wesentlich objektiver und sachlicher diskutiert worden.
Daß ein derart umstrittener Film samt seinem nicht weniger umstrittenen Regisseur keine
Chance hatten, in diesem Jahr für einen Oscar nominiert zu werden, war vorauszusehen und
zudem bezeichnend für den konservativen, auf Nummer Sicher gehenden Kurs, den das
etablierte Hollywood in den vergangenen Jahren mehr und mehr einzuschlagen droht. Wie
Francis Ford Coppola, ein weiterer unbequemer Querdenker, bei den diesjährigen
Filmfestspielen von Cannes bereits kritisch anmerkte, geht es in Hollywood nur noch ums
"Big Business". Kohle scheffeln ist alles; Dies leider zusehends auf Kosten von
Qualität und Anspruch.
Ein Blick auf die diesjährigen Oscarnominierungen bestätigt dies. Hier zählen bald nur
noch die Einspielergebnisse, stolpert man doch in der Best Picture-Kategorie immer wieder
über solche nette, aber belanglose und unkomplizierte Kassenknüller wie Babe oder
Apollo 13. Zählen Streifen wie diese denn wirklich zu den fünf besten Filmen des
Jahres 1995? Sollte dies zutreffen, ist es um die amerikanische Filmindustrie wahrlich
schlecht bestellt.
Und nichts gegen Mel Gibson, aber merkte man ihm nicht förmlich an, wie peinlich es ihm
doch war, für einen eher mittelmäßigen Film wie Braveheart gleich die beiden
wichtigsten Oscars (bester Film und beste Regie) ergattert zu haben? Wahrscheinlich wußte
er, daß er Kollegen wie Robert Altman, James Ivory, Ang Lee, Quentin Tarantino oder
Oliver Stone (um nur einige wenige zu nennen) fortan nicht mehr in die Augen wird blicken
können, ohne dabei vor Scham zu erröten.
Zumindest ließ die Academy bei der Vergabe des Best Actress Award Gnade walten und
beglückte Susan Sarandon, die nach all den vergeblichen Anläufen schon gar nicht mehr
damit gerechnet hatte, den längst verdienten Oscar jemals in den Händen zu halten. Ihr
politisches Engagement schien ihr die Academy nun doch endlich verziehen zu haben; Zumal
man sich wohl nicht gänzlich der Lächerlichkeit preisgeben und Sharon Stone mit dem
Oscar auszeichnen wollte! Auch keine Überraschung war es, daß natürlich Nicolas Cage
das Rennen um den Best Actor Award machte. Interessant war hier nur zu beobachten, wie das
Publikum darauf reagierte: Schaut man nämlich genauer hin, wird man erkennen, daß sich
allein eine junge Dame (wahrscheinlich Nicolas Cages Lebensgefährtin?) von ihrem Platz
erhebt und händeringend versucht, den Rest der Zuschauer zu einer Standing Ovation für
Mr. Cage zu animieren. Niemand folgt jedoch ihrem Beispiel; Alle bleiben stur auf ihren
Plätzen sitzen!
Wie in den beiden Jahren zuvor, als Saubermann Tom Hanks gleich zwei Mal mit einem Oscar
nach Hause marschieren dürfte, traf die Academy in der Best Actor Kategorie also wieder
einmal die sicherste und bequemste Entscheidung. In diesem Zusammenhang frage ich mich
jedoch ernsthaft, wie viele stimmberechtigte Mitglieder der Academy Nixon überhaupt
gesehen haben.
Das, was ich jedenfalls in den letzten Jahren von den Oscars gesehen habe, wird von
Verleihung zu Verleihung voraussagbarer und uninteressanter. Die Zeiten scheinen vorbei,
in denen die Academy auch mal gewillt war, mutige und unpopuläre Entscheidungen zu
treffen.
Doch da davon auszugehen ist, daß Sir Anthony Hopkins auch in den kommenden Jahren noch
das ein oder andere Mal eine Nominierung erhalten wird, muß man sich wohl auch in Zukunft
die alljährliche Oscarnacht um die Ohren schlagen. Irgendwann werden auch wir bestimmt
wieder jubeln dürfen!
© 1996 by Bettina B.
(Hopkins Files Nr.16)
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