The Road to Wellville
Willkommen in Wellville

USA 1995
Regie: Alan Parker / Produzent: Alan Parker und Robert F. Colesberry / Drehbuch: Alan Parker nach dem gleichnamigen Roman von T.C.Boyle / Musik: Rachel Portman
Mit: Anthony Hopkins (Dr. John Harvey Kellogg), Bridget Fonda (Eleanor Lightbody), Matthew Broderick (Will Lightbody), John Cussack (Charlie Ossining), Colm Meaney (Badger), Dana Carvey (George Kellogg) John Neville (Endymion Hart-Jones) u.a.

Übergesund ist krank

Na soetwas!

Bevor ich den Film in Gestalt einer DVD im heimischen "Karstadt" in den Regalen stehen sah, hatte ich noch nie zuvor davon gehört. Eigentlich hätte ich mir das Movie mit einem eher unscheinbaren Namen gar nicht gekauft, wäre ich in der damaligen Zeit nicht in einer kleinen Anthony Hopkins-Hysteriewelle gefangen gewesen. Dieser obsessionsartige Zustand trieb mich geradezu zur Kasse, um die für die DVD verlangten DM 19,99 zu löhnen.
"Juhuu!", jubelte ich in meinem Inneren, "Endlich wieder ein Film mit Hopkins, den ich noch nicht kenne!". Trotz aller seelischen Freudenstürme störte mich der auf dem Titel abgebildete Hopkins schon ein wenig: Eigenartiges Bärtchen, ratzekurze grau-weiße Haare, eigenartige Brille auf der Nase und auch noch Löffel in den Händen. Na, das konnte ja heiter werden!

Rein in den Player und ab damit!

Gespannt starrte ich auf den Bildschirm, wartete auf einen interessanten Film mit einem genialen Hopkins... - und Folgendes kam auf mich zu: Ein in Unterwäsche gekleideter Dr. John Harvey Kellogg (Anthony Hopkins) sitzt an einer eigenartigen Apparatur, an der er anscheinend Fitnessübungen vollbringt. Bei all der körperlichen Anstrengung vermag der Mann, ohne mit der Wimper zu zucken, einer Reporterschar eigenartige Lebensweisheiten an den Kopf zu schmeißen: Die Gedärme eines jeden Körpers sind das A und O der Gesundheit, Sex ist das größte Übel und Masturbation die gewaltigste Sünde...und noch weiteres ertönt aus dem bärtigen Mund des Doktors.
Doch die eigentliche Story setzt erst kurze Zeit später ein. Das Ehepaar Lightbody (Matthew Broderick / Bridget Fonda) erreicht die Wellness-Farm des Doktor Kellogg. Hier soll der kranke Will Lightbody von seinen Malästen befreit werden, während sich seine Frau hier wie jedes Jahr genüßlich entspannen will. Nach einem aufreibenden Aufenthalt mit allerlei Ereignissen, aber auch Freuden, kommt es dann schließlich zur großen Aussprache des Ehepaares, dessen Ehe bislang auf dem Zahnfleisch dahingekrochen ist. Während dessen hat ein ambitionierter Mann (John Cusack) die glorreiche Idee, die zigte Cornflake-Marke auf den Markt zu schmeißen. Dieses Vorhaben will ihm aber nicht recht gelingen und droht ganz zu scheitern. Schließlich kommt es zum Eklat.

Huch, was für ein vollgepackter Film!

Drei verschiedene Handlungsstränge kann man in Willkommen in Wellville vorfinden:
1. Dr. John Harvey Kellogg arbeitet in seinem kuriosen Sanatorium und nähert sich nebenbei an seinen mißratenen Sohn George (Dana Carvey) an, 2. Das Ehepaar Lightbody hat massive Eheprobleme und versucht diese innerhalb eines aufreibenden Klinikaufenthaltes zu lösen, 3. Ein ambitionierter Möchtegern-Geschäftsmann will reich und berühmt werden.
Die ersten beiden Stränge fließen zumeist zusammen, da sich die Wege von Dr. Kellogg und den Lightbodys immer wieder im Sanatorium kreuzen. Die letztere Story bleibt allerdings recht abgesondert, dringt erst am Ende des Filmes in die beiden anderen ein, da sich dann auch die Wege des Möchtegern-Geschäftsmannes mit denen von Dr. Kellogg kreuzen.

Was soll man zu diesem Film sagen?

Um es in einem Satz zusammenzufassen: Dieser Film ist eine gelungene Satire auf den Gesundheitswahn, der auch in der heutigen Zeit manchmal aufkeimen will. Es dominiert hier der Humor, ernsthaft ist der Film im Grunde nie wirklich, doch kann man sich aufgrund der satirischen Darstellung und der überspitzten Zeichnung der Figuren schnell denken, dass das ein oder andere Humor-Highlight zum Nachdenken anregen soll.

Besonders humoröse Highlights des Filmes

- zu Beginn des Movies soll Will Lightbody vor mehreren Schwestern und Pflegern eine Kotprobe abgeben - nur durch einen kleinen Paravent von den anderen abgetrennt. Das Peinlichste daran ist, dass Kellogg danach allen den "mickrigen" Haufen präsentiert und seine eigenen Exkremente in den Himmel lobt. Hier beginnt der Zuschauer wohl mit der ersten größeren Lachwelle.
- meine Lieblingsszene: Der hackedichte Will Lightbody übergibt sich auf den falschen Weihnachtsmannbart von Kellogg. Am Amüsantesten ist hierbei der betont beherrschte Gesichtsausdruck vom "Opfer", das danach auch noch sämtliche Inhaltsnahrungsmittel des Sekretes auflistet. Knüller!
- gegen Ende des Filmes will Kellogg gerade seine Klistier-Spritze präparieren, als Sohn George hereinstürmt und fragt: "Du kannst es gar nicht erwarten, das Ding wieder im Hintern zu haben, oder?". Danach folgt eine wilde Verfolgungsjagd... Wenngleich diese Frage derb ist, kann sie - bei mir zumindest - einen heftigen Lachanfall auslösen.
Alles in allem ist die Komik des Filmes sowieso sehr derb gehalten. Viel dreht sich um Sexualität: Die einen wie Doktor Kellogg versuchen, diese ganz und gar zu unterdrücken, sie sogar zu verleugnen, die anderen wie ein Arzt mit wilden roten Locken, zelebrieren sexuelle Orgien, denen sie jedoch medizinisch-gesunde Zwecke zuschreiben, anstatt die Anreize auf den normalen menschlichen Trieb zurückzuführen. So geht es also nicht nur um die fatalen Folgen eines übergesunden Lebens (hier gibt es sogar ein paar Todesfälle), sondern auch um das Problem der Verleugnung von Sexualität und menschlichen Bedürfnissen überhaupt. Fabel ist also: Man sollte das Leben leben und nicht nur mit strikt-gesundheitlichen Maßnahmen überleben. Genuß in Maßen ist besser als Verzicht im totalen Stil.

Fazit

Klasse Film! Es ist eigentlich eigenartig, dass der Film derartig unbekannt ist. Die Story ist unterhaltsam und gleichzeitig auch sinnvoll, die Schauspieler sind durch die Reihe überzeugend. Allen voran glänzt Hopkins, der mit der Darstellung des verschrobenen, aber dennoch nicht gefühllosen Fanatikers Kellogg wieder einmal seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt.

© 2001 by Nadine S.

 

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