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Shadowlands
Shadowlands - Ein Geschenk des AugenblicksGB / USA 1993
Regie: Richard Attenborough / Produktion: Richard Attenborough & Brian Eastman /
Kamera: Roger Pratt / Musik: George Fenton / Drehbuch: William Nicholson nach seinem
gleichnamigen Bühnenstück
Mit: Anthony Hopkins (Jack/C.S. Lewis), Debra Winger (Joy Gresham), Edward Hardwicke
(Warnie Lewis) u.a.
Richard Attenboroughs Film Shadowlands basiert auf
eine wahre Begebenheit und erzählt (nach dem gleichnamigen Bühnenstück von William
Nicholson) die außergewöhnliche Liebesgeschichte zwischen dem britischen Schriftsteller
und Oxford Professor C.S.Lewis (1898-1963), der vor allem durch seine Kinderbücher
berühmt wurde, und der amerikanischen Dichterin Joy Gresham.
Clive Staples Lewis (Anthony Hopkins), von seinen Freunden bevorzugt "Jack"
genannt, führt gemeinsam mit seinem Bruder Warnie (Edward Hardwicke) ein ruhiges,
zurückgezogenes Junggesellendasein. Das eigenwillige Geschwisterpaar führt ein
geregeltes, völlig aufeinander abgestimmtes Leben. Beide lehren am Magdalen College in
Oxford, bewohnen gemeinsam ein wunderschönes Haus und lassen sich auch sonst durch nichts
von ihrer sicheren, scheinbar unerschütterbaren Lebensführung beeinflussen. Neben seiner
Tätigkeit am College hält Jack öffentliche Vorträge, in denen er existentielle und
religiöse Fragen erörtert, und schreibt Romane, hauptsächlich Märchen, in denen Kinder
durch Wandschränke oder Bilderrahmen in andere, geheimnisvolle Welten gelangen. Die
berühmten Narnia-Chroniken stammen aus seiner Feder. Dennoch muß sich Jack von seinen
Kollegen am College die Frage gefallen lassen, ob er denn überhaupt irgendwelche Kinder
kennt. Immerhin schreibt er Bücher für Kinder. Jack ist um eine Antwort selten verlegen:
Ja, er kennt irgendwelche Kinder. Und zwar seinen Bruder Warnie, als dieser noch ein Kind
war!
Jack und die Amerikanerin Joy Gresham (Debra Winger) pflegen seit einiger Zeit einen
unverbindlichen Briefwechsel, der jedoch unversehends verbindlich wird, als Joy eines
Tages ankündigt, mit ihrem Sohn nach England reisen und unter anderem Jack in Oxford
besuchen zu wollen. Das bringt den eingespielten Alltag der Brüder natürlich erst mal
gehörig durcheinander und versetzt die beiden in einige Aufregung. Jack versichert dem
Bruder, daß das alles völlig ungefährlich sei. Warnie hingegen ist ganz anderer
Meinung: "Sie wird Dir ihre Gedichte vorlesen und über die psychologische Bedeutung
von Wandschränken diskutieren wollen!"
Gemeinsam verabreden sich die Brüder mit der Amerikanerin in einem der englischen Clubs.
Als Joy dann schließlich auftaucht, reagieren Jack und Warnie ein wenig unbeholfen und
sprachlos auf die sehr direkte und temperamentvolle Art der jungen Frau. Joy nimmt kein
Blatt vor den Mund. Sie sagt, was sie denkt. Während Warnie sehr belustigt wirkt und
seinen Bruder damit aufzieht, zeigt sich Jack eher verstört. Scheinbar wittert auch er
Gefahr und verschließt sich um so mehr. Nach einer Besichtigungstour durch Oxford und das
Universitätsgelände, fährt Joy wieder zurück nach London, wo sie derzeit lebt. Der
vorläufige Abschied am Bahnhof macht deutlich, wie ungewohnt dieser Damenbesuch für die
beiden Brüder war: "Wartet man bis der Zug abfährt?" erkundigt sich Jack bei
Warnie.
Ein paar Wochen später stattet Joy den Lewis-Brüdern einen weiteren Besuch ab. Diesmal
ist ihr Sohn Douglas mit von der Partie. Jack lädt Mutter und Sohn sogar ein, die
Weihnachtsfeiertage im trauten Heim der Brüder zu verbringen. Die Atmosphäre taut
allmählich auf, und Joy und Jack verbindet nun eine gute und tief empfundene
Freundschaft. Die Amerikanerin gesteht Jack, daß sie sich von ihrem Mann, einem
Alkoholiker, getrennt hat und in Scheidung lebt. Trotzdem wird sie demnächst wieder
zurück nach Amerika reisen.
Es vergeht eine Zeit bis beide sich wiedersehen. Doch als Joy inmitten eines Vortrags, den
Jack hält, plötzlich und unerwartet wieder vor ihm steht, ist dem scheuen Mann die
Freude über ihre Rückkehr anzusehen. Doch Jack hat weiterhin Probleme, seine Gefühle zu
zeigen, und statt sich zu öffnen, erklärt er Joy unmißverständlich, daß er ihre
Beziehung auch weiterhin auf freundschaftlicher Ebene belassen will. Joy ist damit
einverstanden, hat aber ihrerseits ebenfalls eine Bitte: Um in England bleiben zu können
und eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, bittet sie Jack, sie zu heiraten. Eine
Scheinehe, sozusagen...
Kurze Zeit später sind Joy und Jack miteinander verheiratet. Nur auf dem Papier, versteht
sich. Jack drückt sich diesbezüglich deutlich genug aus: "Wir tun einfach so, als
sei das alles nie passiert."
Innerhalb der Universitätsmauern im akademischen Kreis der Collegeprofessoren gehen
allmählich Gerüchte um. Niemand dort weiß etwas von Jacks Heirat, doch da der Professor
immer häufiger an der Seite der geheimnisvollen Brieffreundin gesehen wird, vermutet man
eine Affäre. Joy macht sich einen Spaß daraus, die Gerüchteküche weiter anzuheizen und
amüsiert sich: "Alle glauben, wir hätten ein Verhältnis, - dabei sind wir
miteinander verheiratet und haben nichts miteinander!" Doch Joys Unverständnis über
Jacks Verschlossenheit, seine Unfähigkeit, Gefühle zuzulassen, führt bald zu einer
größeren Auseinandersetzung. Im Streit trennt sich das ungleiche Paar voneinander. Joy
zieht nach London zurück.
Nach längerem Zögern beschließt Jack endlich, sich wieder bei seiner "Frau"
zu melden. Doch eine Tragödie hat sich zwischenzeitlich ereignet. Joy liegt mit
gebrochenen Beinen im Krankenhaus. Die Ärzte diagnostizieren Knochenkrebs im
fortgeschrittenen Stadium und geben der jungen Frau nicht mehr lange zu leben. Erst jetzt
erkennt Jack, daß ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, seine Angst vor der Liebe zu
überwinden und Joy seine Gefühle zu gestehen ...
Die erste Stunde dieses 135-minütigen Melodramas ist
freilich phänomenal, witzig, charmant und herrlich unterhaltsam. Die Hauptdarsteller sind
die Reihe durch zum Verlieben, allen voran natürlich Anthony Hopkins. Dies ist sein Film.
Daran kann auch Debra Wingers großartige Darstellung der Joy Gresham nicht rütteln.
Shadowlands beginnt wie eine romantische Liebeskomödie mit wundervoll skurril
gezeichneten Charakteren, witzigen Dialogen und dem berühmten britischen Humor. Ja, im
Laufe der ersten Kinostunde bin ich voll und ganz der Überzeugung, daß Shadowlands
zu den besten Filmen gehört, die Hopkins je gedreht hat. Wenn ich zuvor geglaubt hatte,
daß er mit Silence of the Lambs auf dem absoluten Höhepunkt seiner Karriere
angelangt und darüber hinaus kaum eine Steigerung auf schauspielerischer Ebene denkbar
sei, so stockte mir in manchen Filmszenen vor lauter Begeisterung der Atem. Während Debra
Wingers Darstellung eher auf den Witz der Dialoge angewiesen bleibt, spielt Hopkins sie
mit einer Geste, einem Gesichtsausdruck, einem einzigen Blick völlig an die Wand.
(Hopkins sollte öfter in Komödien mitwirken!) Die Lacher, die es in der ersten Stunde
noch gibt, sind ganz und gar auf seiner Seite. Und wann erlebt man es schon, daß einem
Schauspieler aufgrund eines einzigen Gesichtsausdrucks, eines bestimmten Blicks,
begeisterter Szenenapplaus zuteil wird (Berlinale 1994)?
Doch dann, nachdem sich das Publikum begeistert auf diesen Film eingelassen hat, geschieht
etwas Schreckliches: Joy Gresham alias Debra Winger erkrankt an Krebs. Das jedoch ist
nicht das eigentlich Schreckliche. Das Schreckliche ist, daß von da an die Handlung des
Films völlig zerfällt. Aus der anfänglich so witzigen und mit einem Augenzwinkern
erzählten Geschichte wird plötzlich ein langatmiges, sentimentales Rührstück mit
reichlich Tränenflüssigkeit, einer unnötig in die Länge gezogenen Sterbeszene und
einem völlig überflüssigen, viel zu langen Epilog. Mit anderen Worten: Es wird
langweilig. Hat man das denn nicht alles schon viel zu oft gesehen? Frau stirbt an Krebs -
Mann wird damit nicht fertig...
Aber Shadowlands beruht auf eine wahre Begebenheit, und der authentische C.S.
Lewis, ein durch und durch religiöser Mensch, hat sich in der Tat bis an sein Lebensende
mit dem Tod der Geliebten auseinandergesetzt - ein stetiges Hinterfragen seines Glaubens
an Gott. Doch trotz der Tragödie um Joys langes, qualvolles Sterben und der Frage, wie
ein gerechter Gott solches Leid zulassen kann, hat Lewis seinen Glauben nie verloren. Für
ihn war das Leben auf Erden eine Illusion, der Tod die Erlösung aus dem Schattenland. In
den Narnia-Chroniken heißt es folglich: "Your father and mother and all of you are -
as you used to call it - in the shadowlands, dead ... the dream is ended: this is the
morning."
Trotzdem: Richard Attenboroughs Film tut sich nach einem überaus gelungenen Auftakt am
Ende sehr schwer, das Interesse des Kinobesuchers, dem wohl die eine oder andere
rührselige Einzelheit gerne erspart geblieben wäre, aufrecht zu erhalten. Man fragt sich
wirklich, ob es denn immer nötig ist, die Schauspieler Minuten lang und bis zur
Peinlichkeit in die Kamera schluchzen zu lassen. Oder glaubt Attenborough, der Zuschauer
sei mittlerweile derart abgestumpft, daß er die Tragik der Geschichte andernfalls nicht
erkennt?
Dennoch gibt es auch in der zweiten Hälfte des Films einige Lichtblicke; Szenen, in denen
sich Shadowlands auf seinen Anfang, diese gewisse augenzwinkernde Leichtigkeit
besinnt. So zum Beispiel eine wundervolle Schlafzimmer-Szene, in der Jack seiner frisch
angetrauten Frau, die im Bett auf ihn wartet, unbeholfen erklärt, daß er über "die
weiteren Abläufe", über das, was Mann und Frau nun zu tun haben, nicht so genau
Bescheid weiß! - Ein weiterer Höhepunkt ist eine herrlich komödiantische Telefon-Szene:
In einem Hotel soll Jack per Telefon den Zimmerservice ordern und für Joy einen Gin Tonic
bestellen. Jack, ganz der konfuse und zerstreute Professor, verhaspelt sich natürlich und
ordert in äußerster Not schließlich zwei Gin Tonics. "Aber Du magst doch gar
keinen Gin," wundert sich Joy. Jack daraufhin: "Nein. Aber ich fürchte, ich
geriet in Panik!"
Diese und einige ähnliche Szenen, in denen Hopkins brilliert und die im Kino mit
Szenenapplaus bedacht wurden, können Shadowlands vielleicht letztendlich doch
noch retten. Vielleicht kann aber auch die Erkenntnis, die C.S.Lewis aus dem Tod der
Geliebten zieht, gleichfalls für den Handlungsverlauf des Films stehen: "Das Glück
von heute ist untrennbar mit dem Schmerz von morgen verbunden." - In Bezug auf
Attenboroughs Film kann das nur heißen: Um das Glück der ersten Kinostunde so richtig
schätzen zu können, muß man die Langeweile der zweiten halt in Kauf nehmen! Ja,
vielleicht war es das, was uns Attenborough damit sagen wollte!
© 1994 by Bettina B.
(Hopkins Files Nr.9)
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