Shadowlands
Shadowlands - Ein Geschenk des Augenblicks

GB / USA 1993
Regie: Richard Attenborough / Produktion: Richard Attenborough & Brian Eastman / Kamera: Roger Pratt / Musik: George Fenton / Drehbuch: William Nicholson nach seinem gleichnamigen Bühnenstück
Mit: Anthony Hopkins (Jack/C.S. Lewis), Debra Winger (Joy Gresham), Edward Hardwicke (Warnie Lewis) u.a.

Die andere Meinung

Neulich in London sah ich mir Shadowlands im Original an... Draußen war es heiß - im Kino angenehm kühl. Draußen tobte die Großstadt - im Kino war es ruhig. Ich kannte sogar zwei der weiteren Zuschauer: Krisl-Schwein und Hopgoblin-Katja. Was für ein Zufall!
Naja, was soll die lange Vorrede: Es passierte, was bei diesem Film passieren muß: Ich wurde davongetragen, gefangengenommen von den Gefühlen, die Joy und Jack kennenlernen. Ich tauchte ein in ihre Welt und dann - dann muß man plötzlich aufwachen und ist wieder im eigenen, "realen" Leben.
Wer kann nur behaupten, der Film sei zu lang, an manchen Stellen zu sentimental oder sogar peinlich??? So wie jede Minute in der ersten Filmhälfte gebraucht wird, um Joys und Jacks Kennenlernen, das zögernde und dann Doch-Aufeinandereinlassen, das Liebenwollen und -lernen und -können nachvollziehbar darzustellen, genauso wird jede Minute in der anderen Hälfte ausgeschöpft und benötigt, um das Glück und den Schmerz, den Kampf ums Festhalten und das Loslassen, die Verzweiflung und das Sich-Hochreißen für den Zuschauer vor der Leinwand, für die Phantasie des Einzelnen draußen auch nur annähernd faßbar zu machen.
Lord Attenborough hat einen wunderbaren, magischen Film geschaffen, denn es gelingt ihm auf eindringliche aber unaufdringliche Art, die große Liebe dieser zwei Menschen, der Schriftstellerin Joy und dem Literaturprofessor Jack, vollkommen lebendig werden zu lassen. Er schafft es, die Einzigartigkeit dieser Beziehung, das Absolute dieses Zusammenfindens vollkommen glaubwürdig zu rekonstruieren. Natürlich - und darüber will ich keine großen Worte verlieren - wird das nur möglich durch das phantastische Spiel von Anthony Hopkins und der sicher auch sehr gut agierenden Debra Winger. Nur ihnen ist letztlich zu verdanken, daß aus dem Spiel ein Sein wird.
Übrigens: Was für ein Unterschied ist doch zwischen der original und der synchronisierten Fassung! Wenn es im Deutschen zu pathetisch wird, zu aufgesetzt und zu laut, dann ist im Englischen das Zurückhaltende dominant, das Aufrichtige und das Leise. Und erst in der englischen Version kommt all die phänomenale Gestik von Sir Anthony Hopkins zum Tragen, weil eben nicht das Sprechen an der falschen Stelle einsetzt und so den mimischen Ausdruck schmälert. So passiert es, daß man die Tragik nicht nur erkennt, sondern mitleidet, daß man nicht nur beobachtet, sondern mitfühlt - so intensiv, wie jeder für sich eben erleben kann. So passiert es auch, daß die Tränen nicht peinlich werden, weil zwischen Gefühl und Sentimentalität eben doch ein großer Unterschied ist. Und nur wer tatsächlich abgestumpft ist, wird Schwierigkeiten haben, den Film auf sich wirken zu lassen oder sich in die Langeweile flüchten, weil etwa vordergründig "nichts geschieht".
All die Dialoge zwischen Joy und Jack, gerade nach Ausbruch von Joys Krankheit, die Erkenntnisse über sich, ihr Leben, ihre außergewöhnliche Liebe - und das alles in dem Bewußtsein der beiden, daß es bald ein Ende findet, ohne daß sie irgendwelchen Einfluß darauf nehmen können - diese Dialoge vermitteln so viel Weisheit über das Leben an sich, daß man ein sturer Ignorant sein muß, wenn man nicht erkennt, daß es nicht nur um Liebe mit all dem Vertrauen und Öffnen und Hingeben und um eine zeitlich begrenzte Beziehung geht. Es geht um viel mehr; um völlig fundamentale Inhalte unseres Lebens - egal ob man nun gerade frisch verliebt ist oder nicht, ob schon länger zweisam oder glücklicher Single. Es werden Dinge angesprochen, die das Menschsein allgemein betreffen - vor allem natürlich in Beziehung zu anderen Menschen; um das Wiedererkennen in Anderen, um Freundschaft, um Sinn und Unsinn des Trostes und der damit verbundenen Problematik des Empfindens der Einsamkeit eines jeden Menschen. Es geht um Freiheit, um Glauben, um den Tod, um die Schwäche des Menschen und um seine Größe. Es geht um die Widersprüche des Seins und warum wir es trotzdem lieben oder eben auch daran verzweifeln können.
Der Film ist momentan mein Lieblingsfilm mit Sir Anthony. Sicher gibt es noch gehaltvollere Filme, aber kaum ergreifendere (wem stockte nicht ab und an der Atem?!). Sicher drehen sich im Leben noch andere Karussells als die der Liebe und die der Filme, aber Shadowlands ist weit mehr als ein Liebesfilm und mehr als andere Filme nicht nur ein Film, sondern ein ganz gewaltiges Stück Leben. Meine Wertung deshalb: Grandios!!!

© 1994 by Anne J.
(Hopkins Files Nr.11)

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