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The
Silence of the Lambs
Das Schweigen der LämmerUSA 1991
Regie: Jonathan Demme / Produktion: Kenneth Utt, Edward Saxon u. Ron Bozman / Kamera: Tak
Fujimoto / Drehbuch: Ted Tally nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Harris / Musik:
Howard Shore
Mit: Jodie Foster (Clarice Starling), Anthony Hopkins (Hannibal Lecter), Scott Glenn (Jack
Crawford), Ted Levine (Jame Gumb), Anthony Heald (Chilton) u.a.
Es gibt kein Wort für das, was er
ist
Die US-Filmzeitschrift Cinefantastique bezeichnete
ihn als den Horror-Superstar der 90'ger und laut Umfrage der ebenfalls amerikanischen Entertainment
Weekly haben 27% aller Leser Angst vor ihm, womit er direkt an zweiter Stelle hinter
Freddy Krueger ( 33%) steht: Psychopath oder vielmehr Soziopath Hannibal Lecter ist
natürlich gemeint, der auf dem besten Wege ist, eine Kultfigur zu werden. Darsteller
Anthony Hopkins weiß zu all den Ehren, die seinem Hannibal Lecter da widerfahren, nur
trockene Kommentare von sich zu geben: "Ein Charmeur bin ich nun wirklich
nicht," hören wir da.
Aber was ist es denn eigentlich, das den Kinobesucher von The Silence of the Lambs
so derart fasziniert und zugleich zutiefst verstört? Denn Lecter ist keine Horrorgestalt
im üblichen Sinne, kein blutsaugender Vampir oder die monströse Erfindung eines
Dr.Frankensteins. Er besitzt keine übernatürlichen Fähigkeiten, kein entstelltes
Pizzagesicht à la Freddy Krueger und, einmal zur Strecke gebracht, dürfte er nicht, wie
der unsterbliche Michael Meyers aus John Carpenters Halloween, durch weitere
unzählige Fortsetzungen morden. Das furchterregende an Hannibal Lecter ist vielmehr, daß
er so realistisch ist.
Regisseur Jonathan Demme versteht es meisterlich, diese Ängste in Szene zu setzen, ohne
dem Zuschauer dabei jedoch mehr an blutrünstiger Brutalität zuzumuten, als es für die
Handlung unbedingt notwendig ist. Denn was zeigt uns Demme eigentlich an Grausamkeiten?
Clarice Starlings vielsagenden Gesichtsausdruck, als Chilton ihr das Photo einer
Krankenschwester zeigt, der Lecter ziemlich übel mitgespielt hat; Einen eher belustigend
wirkenden Menschenkopf in einem Glasbehälter; Und Lecters Ausbruch aus dem Gefängnis,
den wohl jeder andere Regisseur in ein wahres Gemetzel hätte ausarten lassen. Wir sehen
aber weder wie Lecter Menschenfleisch verspeist, noch den zerschmetterten Kopf des
Wachpolizisten. Vielmehr ist es das, was wir nicht sehen, das verstört und die eigene
Phantasie in Gang setzt. Den eigentlichen Schrecken produziert die Phantasie des
Zuschauers, womit Jonathan Demme natürlich in bester Alfred Hitchcock und Roman Polanski
Tradition arbeitet. Schon in Polanskis legendärem Rosemaries Baby glaubte der
Zuschauer mehr gesehen zu haben, als der Film eigentlich zeigt. Obwohl von Rosemaries
Ausgeburt des Teufels nur kurz rot glühende Augen zu sehen waren, behaupteten damals
unzählige Kinobesucher, sowohl Pferdefuß, als auch Schweif und Teufelshörner über die
Leinwand flimmern gesehen zu haben. Archetypische Bilder also, die durch geschickte
filmische Manipulation aus dem Unterbewußtsein des Zuschauers an die Oberfläche
gerieten.
Auf ähnliche Weise gelingt es auch Demmes The Silence of the Lambs an den
Schichten des kollektiven Unterbewußtseins zu kratzen. Die Szene, in der Clarice das
erste Mal zu Lecter in den Hochsicherheitstrakt für Schwerverbrecher geht, ist eine
solche Schlüsselszene mit durch und durch mythischem Charakter. Das rot ausgeleuchtete
Szenario, die Gittertüren, die schwer hinter Clarice ins Schloß fallen, und der wie ein
mittelalterlicher Kerker ausgestattete Trakt, versichern uns unterschwellig, daß dies
nicht nur ein Gefängnis ist, sondern das Domizil des Satans selbst. Wir sind mit Clarice
in die Unterwelt, das Reich des Hades gestiegen. Und während Orpheus den Fürsten der
Unterwelt mit seinen Liedern zu betören versucht, um die entführte Geliebte Eurydike zu
befreien, ist es nichts anderes, was Clarice im Sinn hat. Sie muß sich mit dem Bösen in
Gestalt Lecters verbünden, um das "Gute" zu erreichen. Zwar verkauft sie nicht
wie Faust ihre Seele an den Teufel, muß aber von dieser derart viel preisgeben, daß der
Vergleich nicht unangebracht ist. Während Mephisto dem Protagonisten Faust Wahrheit über
alle Dinge, über das, was "die Welt im Innersten zusammenhält" verspricht,
wird auch Clarice die Komplizin Lecters, der ihr bei einer Berührung durch die
Gitterstäbe seiner Zelle den Stempel der Weisheit aufdrückt. Sie kann jetzt die Lämmer
zum Schweigen bringen...
Wie Clarice erliegt auch der Kinobesucher bald Lecters mephistophelischem Charme. Lecter
ist nicht nur der Verführer sondergleichen, sondern auch über alle Maßen intelligent
und äußerst witzig. Das Paradoxon des Psychiaters als mordendem Psychopath ist ebenso in
die Sparte "schwarzer Humor" einzuordnen, wie Lecters sarkastische Bemerkungen:
"Ich genoß seine Leber mit ein paar Fava-Bohnen, dazu einen ausgezeichneten
Chianti." Längst ist der Zuschauer in Lecters diabolischen Bann geraten und muß
verwundert feststellen, daß seine ganze Abneigung eher Lecters Nemesis Dr.Chilton als den
beiden Serienkillern gilt. Nicht zuletzt deswegen gerät Lecters Ausbruch aus dem
Gefängnis zu einer Art Schockerlebnis für den Zuschauer. Erst jetzt wird ihm nämlich
lebhaft vor Augen geführt, wer und was der Sympathieträger Lecter in Wirklichkeit ist.
So bleibt ihm auch am Ende des Films, als Lecter einen "alten Freund zum Dinner"
erwartet, buchstäblich das Lachen im Halse stecken.
Natürlich war sich auch Regisseur Jonathan Demme über dieses beunruhigende Ende seines
Films bewußt und dachte sogar darüber nach, der Buchvorlage untreu zu werden und eine
Schlußkonfrontation zwischen Clarice und Lecter zu drehen: "Sicher, diese Idee
schwebte kurzzeitig in meinem Kopf herum, und ich war mir auch bewußt, daß das Ende
verdächtig nach Fortsetzung riecht. Doch obwohl es sehr, sehr verstörend ist, wenn
Lecter am Ende entkommen kann, trifft es auch den dunklen Kern alter Serials oder der Mabuse-Filme.
Also hielt ich das verstörende Ende besser bei."
© 1992 by Bettina B.
(Hopkins Files Nr.1)
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