The Silence of the Lambs
Das Schweigen der Lämmer

USA 1991
Regie: Jonathan Demme / Produktion: Kenneth Utt, Edward Saxon u. Ron Bozman / Kamera: Tak Fujimoto / Drehbuch: Ted Tally nach dem gleichnamigen Roman von Thomas Harris / Musik: Howard Shore
Mit: Jodie Foster (Clarice Starling), Anthony Hopkins (Hannibal Lecter), Scott Glenn (Jack Crawford), Ted Levine (Jame Gumb), Anthony Heald (Chilton) u.a.

Der sympathische Kannibale

Vorwort

Der Film Das Schweigen der Lämmer existiert schon zehn Jahre lang. Er lief schon diverse Male im Free-TV und man kann ihn fast überall in gut sortierten Videoläden käuflich erwerben. Seit kurzem gibt es sogar eine Special-Edition auf DVD mit jeder Menge interessanten Extras wie beispielsweise dem Making-Of und anderen Delikatessen, die das Herz eines jeden "Lämmer"-Fans schneller schlagen lassen. Doch zehn Jahre mußten vergehen, bis ich diesen Film schätzen lernte.
Immer wieder im Laufe der vergangenen Jahre schaute ich kurz in die Fernsehausstrahlungen hinein, begann aber niemals wirklich am Anfang des Filmes und wußte aufgrund dessen nicht, was überhaupt Sache war. Deshalb schaltete ich meistens schnell um und wunderte mich, warum dieser so düster anmutende Film so großartige Kritiken einheimste.
Vor kurzem jedoch wurde der Film auf irgendeinem Fernsehsender wiederholt, und ich schaffte es, mir Das Schweigen der Lämmer von Beginn anzusehen. Ich war begeistert.
Leider kam ich bislang persönlich noch nicht in den Genuß der interessanten DVD. Mir kam bislang nur die TV- sowie die Videoversion des Filmes zu Augen. Mein Das Schweigen der Lämmer-Video mußte bis dato sogar sehr leiden, da ich es immer wieder hin- und herspulte, da ich einfach nicht genug von den großartigen Kerkerszenen zwischen Doktor Lecter und Agent Starling bekommen konnte. Aber was fasziniert an diesem Film von Regisseur Jonathan Demmes nach einer Romanvorlage von Thomas Harris so sehr? Was ließ das Herz der Kritiker und der Freunde guter Movies schneller schlagen? Wieso konnte der Film bei den damaligen Academy Awards derartig erfolgreich sein und fünf Oscars absahnen?

Der Film - worum geht es?

FBI-Nachwuchs-Agentin Clarice Starling (Jodie Foster) wird auf den kannibalistischen Serienmörder Doktor Hannibal Lecter (Anthony Hopkins) angesetzt, damit dieser Informationen zu einem aktuellen Serienmörder beisteuert. Der Psychiater durchschaut schnell die Pläne des FBI und nutzt Clarice mehr und mehr als Spielball seiner Gelüste: Er entlockt ihr traumatische Geheimnisse aus ihrer Kindheit und liefert ihr im Gegenzug häppchenhafte Informationen zu dem gesuchten Mörder. Doch als Irrenanstaltswärter Chilton interveniert und Hannibal in ein Gefängnis in Tennessee verlegt wird, bricht Lecter seine Informationslieferung ab, hinterläßt Clarice aber dennoch einen wichtigen Hinweis. Nun muß sich die junge FBI-Agentin alleine an die Auflösung des Falles begeben - im Wettlauf mit der Zeit, denn der Serienmörder "Buffalo Bill" mordet munter weiter...

Beurteilung

Nicht umsonst räumte das Schweigen der Lämmer im Jahre 1991 bei den Academy Awards gleich fünf Auszeichnungen ab, darunter die Trophäe für den besten Film sowie für den besten Hauptdarsteller und die beste Hauptdarstellerin. Die Kritiker haben meiner Meinung nach vollkommen richtig entschieden, denn die Inszenierung, die Story und das Agieren der Darsteller sind allesamt top und ergänzen sich zu einem starken, absolut imponierenden Ganzen. Die Atmosphäre des Filmes ist bedrückend und macht die schaurige Grundlage des Filmes aus. Immer wieder wenn Clarice in das Baltimore Hospital einkehrt, um mit dem Kannibalen zu reden, muß sie an einer Vielzahl von Gittern vorbei, die Mauern wirken altertümlich. Die ganze Umgebung ist kalt und unmenschlich. Normalerweise würde man eher eingekerkerte Tiere in solchen Bauten erwarten als geistesgestörte Menschen. Die berauschende Wirkung der Atmosphäre wird vor allem bei Starlings erstem Besuch von Lecters Verlies wirkungsvoll eingesetzt: Langsam schreitet die angehende FBI-Agentin an den Zellen der Mitgefangenen Lecters entlang, die Insassen pöbeln sie an, schreien ihr ekelhafte Phrasen hinterher, sie wirken eher wie wilde Tiere. Dann gelangt Starling zur Zelle von Lecter. Hier ist der erste große Überraschungseffekt, der wunderbar kontrastreich zur tristen, unmenschlichen Atmosphäre des Krankenhauses wirkt: Doktor Lecter sieht aus wie ein normaler zivilisierter Mensch und begrüßt seine Besucherin auch in der entsprechenden Art und Weise mit "Guten Morgen!". Ebenfalls gute atmosphärische Effekte bietet vor allem die Finalsequenz, in der Starling dem Serienmörder "Buffalo Bill" dicht auf den Fersen ist. Die Frau muß sich in absoluter Dunkelheit vortasten, in einem ekligen, verdreckten Kellerloch, in dem es von Hautkostümen und Leichenresten wimmelt. Was für eine Farce ist es, dass in diesem dreckigen Loch eine Vielzahl von Nachtschwärmern gezüchtet wird - Schmetterlinge. Doch was wäre diese brillant in Szene gesetzte Atmosphäre ohne eine dichte, in sich stimmige Story mit interessantem Inhalt? Nichts. Diese Frage kommt jedoch nicht auf, da die Dialoge einfach erstklassig sind. Hervorzuheben sind wiederum die Verliesszenen, in denen Clarice und Lecter kommunizieren. Der Zuschauer erlebt intellektuelle Gefechte, zwei äußerst intellektuelle Charaktere, die sich absolut verschieden, vielleicht aber doch irgendwie gleich sind. Sie führen einen kleinen verbalen Wettkampf aus. Augenscheinlich reden sie ein wenig aneinander vorbei. Fragt sie, die FBI-Agentin, eine konkrete Frage zu Buffalo Bill, so weicht er, Lecter, aus und springt lieber auf einen alten Fall aus der Vergangenheit über. Will hingegen er sie über Florenz befragen, weicht sie geschickt aus und antwortet mit einer Gegenfrage. Zu dem Zeitpunkt hält sich Clarice noch an die ihr zuvor ans Herz gelegte Warnung: "Lassen sie ihn nicht in ihren Kopf hinein!" Doch diese Barriere muß sie früher oder später fallen lassen, da Lecter nur dann bereit ist, Informationen über Buffalo Bill zu liefern, wenn er Persönliches über Clarice erfährt. Man stelle sich dies doch einmal vor und denke kurz darüber nach. Wie mulmig muß der Agentin dabei sein! Sie läßt einen irrsinnigen Serienmörder in ihrer traumatisierten Kindheitserfahrung herumtollen, "nur" damit ihr dieser wichtige Informationen liefert. Man merkt, der Fall und der durch dessen Auflösung winkende Berufsaufstieg muß sie enorm reizen. Später in Tennessee bringt Lecter sie emotional an das Äußerste: Ihr Lamm-Erlebnis kommt wieder hoch, Starling tut der nun wieder erlebte Schmerz in der Seele weh. Und was macht Lecter? Anscheinend verleibt er sich die Emotionen Starlings so sehr ein, dass ihm selbst Tränen in den Augen stehen. Was für ein seltsamer Mann, mag der Zuschauer denken. Doch das ganze Psychogemetzel trägt letzten Endes doch seine Früchte - Lecter spielt Clarice einen entscheidenden Hinweis zu...
Das spannende Dialogisieren zwischen Clarice und Hannibal stellt die eigentliche Story, die Jagd des Serienmörders "Buffalo Bill", eher in den Hintergrund. Lediglich in der Finalszene, in der Clarice dem Hautabzieher auf der Spur ist, kann die "Bill"-Story noch größere Beachtung finden. Die sich einige Zeit davor ereignende Flucht von Lecter aus dem Gefängnis ist jedoch keineswegs weniger aufregend als jene Endszene.
Während Lecter vorher ruhig, passiv, sogar ein wenig nett und ungefährlich erschien, zeigt er den Zuschauern nun, warum er berühmt-berüchtigt ist. Blutrünstig ermordet er die Gefängniswärter, veranstaltet abstoßende Dinge mit ihren Leichen und heckt trotz all dieser Bestialität einen genialen Fluchtplan aus. Die enorme Wirkung und Überzeugungskraft macht zum größten Teil die Stärke der beiden

Hauptdarsteller

aus. Jodie Foster in der Rolle der Clarice Starling porträtiert überaus glaubhaft den konsequenten Willen der Agentin, einen glänzenden Start in eine FBI-Karriere erreichen zu wollen. Zäh und intelligent geht sie an ihre Gespräche mit Lecter heran, läßt sich von seiner Bissigkeit nicht kleinkriegen. Das, was der Frau körperlich fehlt, macht sie mit ihrem klugen Geist wieder wett. Besonders aufregend ist die Endsequenz gelungen, in der Starling "Buffalo Bill" hinterherjagt, im Grunde aber selbst zur Gejagten wird. Selten hat man so eine gute schauspielerische Überzeugungskraft auf der Leinwand gesehen. Brillant, wie Foster in ihrer dargestellten Angst alle Sehnen anspannt, die Augen aufreißt und Zuckungen durch ihren Körper wandern läßt. Toll, wie gut sie es schafft, diese Nervosität zu spielen.
Mich persönlich kann Anthony Hopkins in seiner Rolle als genial-verrückter Psychiaterkannibale noch mehr überzeugen. Welche Schauspielkunst muß in einem Menschen stecken, dass es ihm gelingt, die Personifikation der Gradwanderung zwischen Genie und Wahnsinn so glasklar zu porträtieren und dabei kein einziges Mal affektiert zu erscheinen? Welche Anstrengungen muß Hopkins unternommen haben, um sich in eine solch verschrobene Seele wie die des Doktor Lecters hineinzuversetzen und diese darzustellen? Wie auch immer: Er macht es fantastisch. Diese Rolle ist besonders schwierig für Hopkins gewesen, da das Hauptaugenmerk zumeist nur auf seinem Gesicht lag. Normalerweise kann sich ein Künstler dadurch auszeichnen, indem er mit seinem ganzen Körper agiert, indem er Worte, Mimik und Gesten zu einer Einheit verschmelzen läßt. Hopkins hatte nur die ersten beiden Formen künstlerischer Darstellung zur Hand, bediente sich diesen ganz vorzüglich. Seine Augen, in diesem Falle Lecters Augen, vermögen den Zuschauer zu verwirren: Schon in der ersten Szene mit Starling erscheinen sie zum einen strahlend und freundlich, senden aber auch Verschmitzheit und einen Hauch Hinterlistigkeit aus. Dann, wenn der Mann ein wenig in Rage gerät, Abscheulichkeiten von sich gibt, erhalten die Augen eine Nuance von Leere, die von Verachtung und Überlegenheitsgefühl dominiert wird. Kaum zu glauben, wie Sir Anthony derart herrliche Gesichtsschauspielereien vollziehen kann. Trotz der phasenweise abscheulichen Verbalauswürfe des Doktors kann er gefallen, wirkt sogar sympathisch anstatt psychopathisch, zumindest bis zum Zeitpunkt seines Ausbruches, indem wir von der enormen körperlichen Kraft des Doktors ein Beispiel erhalten. Bei all diesen überzeugenden Kriterien bleibt mir als

Fazit

nur noch zu erwähnen: Absolut sehenswert!

© 2001 by Nadine S.

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