The Tenth Man
Der zehnte Mann

USA 1988
Regie: Jack Gold / Drehbuch: Lee Langley nach der gleichnamigen Novelle von Graham Greene
Mit: Anthony Hopkins (Chavel), Kristin Scott Thomas (Therese), Derek Jacobi (Kollaborateur), Cyril Cusack (Priester), Brenda Bruce (Mutter), Timothy Watson (Michel) u.a.

Im besetzten Frankreich 1941 werden der vermögende Rechtsanwalt Jean-Louis Chavel (Anthony Hopkins) und zahlreiche Zivilisten in den Straßen von Paris von Deutschen willkürlich verhaftet; sie sollen für Verluste durch Attentate der Resistance büßen. Ein solches Attentat fordert kurz darauf drei Tote, was bedeutet, daß drei der Gefangenen sterben müssen, jeder zehnte von ihnen. Wer dies sein soll, wird untereinander durch Lose ermittelt. Chavel zieht das letzte Todeslos. Voller Verzweiflung gelingt es ihm jedoch, seinen Zettel an den kranken Michel (Timothy Watson) loszuwerden, der dafür von Chavel dessen gesamten Besitz überschrieben bekommt, welcher nach seinem Tod seinen Hinterbliebenen zufallen wird.
Nach dem Krieg kehrt Chavel zu seinem Haus zurück, das nun von Michels Mutter (Brenda Bruce) und seiner Schwester Therese (Kristin Scott Thomas) bewohnt wird. Er verdingt sich bei ihnen im Hause unter falschem Namen - wohlweislich, denn die beiden haben für Chavel nichts als Haß übrig und hätten anstelle des unseligen Reichtums lieber ihren Michel zurück. Therese ist entschlossen, Chavel zu töten, sollte dieser eines Tages auftauchen.
Mit der Zeit kommen sich Chavel und Therese näher, doch bevor es zum Liebesbekenntnis kommen kann, taucht plötzlich ein Fremder auf, der sich für Chavel ausgibt; tatsächlich ist es der Sohn eines ehemaligen Gefängniskameraden Chavels. Der gesuchte Kollaborateur (Derek Jacobi) versteckt sich in dem Haus vor seinen Verfolgern, spielt schamlos die Rolle des charmanten, reumütigen Hausherrn und erreicht schließlich sogar, daß sich Thereses Haß auf Chavel in Sympathie verwandelt... Der wahre Chavel indes, der angesichts dieser neuen Entwicklung endlich all seinen Mut zusammennimmt und Therese die Wahrheit erzählt, stirbt ausgerechnet durch die Kugel des Kollaborateurs...

Graham Greenes Erzählung Der zehnte Mann, welche er in Erfüllung eines (von ihm als "Sklavenvertrag" bezeichneten) Kriegsdeals für MGM schrieb, und derer er sich selbst später nur noch als "2-Seiten-Idee für einen Roman im Frankreich unmittelbar nach der Befreiung 1944" erinnerte, wurde nach Wiederentdeckung in einem Hollywood-Keller 1985 erstmals in Buchform veröffentlicht. Jack Gold verfilmte 1988 diese "2-Seiten-Idee", die nicht weniger als 60.000 Wörter umfaßte, für CBS. Das Resultat ist ein eindringlicher, hervorragend besetzter Film über einen Mann, der sein Todesurteil verkauft, sein Leben aber dennoch nicht retten kann.
Mit fast gemächlicher und ruhiger Erzählweise baut der Film seine Tragik langsam und spannend auf und verleiht der Geschichte dadurch Aussagekraft und Tiefe (das Zimmer-mit-Aussicht-Syndrom). Ebenso verhält es sich mit den Schauspielern, allen voran Anthony Hopkins, der hier seine leise Seite dominieren läßt und Chavels Gemütszustand nach den einschneidenden Geschehnissen sehr glaubwürdig widerspiegelt.
Das Schicksal des unbedarften Chavel, der auf seinem Anwesen von der Umwelt und dem Krieg fast gänzlich abgeschieden lebt und durch die plötzliche Verhaftung freilich allzu brutal mit der rauhen Wirklichkeit konfrontiert wird, zeigt natürlich auf besonders deutliche Weise die Hilflosigkeit, mit der Menschen dem Verfall jeglicher Menschlichkeitsnormen im Krieg gegenüberstehen. Anthony Hopkins macht diese Ohnmacht in jeder Situation spürbar. Chavel ist ein einsamer und ziemlich lebensfremder Mensch, dem es folglich umso schwerer fallen muß, zu begreifen, daß er nun für etwas in den Tod gehen soll, wofür er nicht einmal die Schuld trägt. Berücksichtigt man dies, wäre es also falsch, ihn einfach als "feige" bezeichnen zu wollen, besonders dann, wenn man weiß, daß er nach einiger Zeit versuchte, den Tausch wieder rückgängig zu machen. Aber da dies nicht gelang, weil auch Michel seinen Stolz hat, muß Chavel von nun an mit der Last seiner Schuld leben. Und so steht dieser Film in gewisser Hinsicht auch als Parabel über das Leben und die eigene Verantwortung, die man dafür trägt.
Es wird einem schwer gemacht, Chavel aufgrund seines Vergehens zu hassen. Zum einen mag dies vielleicht daran liegen, daß man, versucht man einmal ernsthaft, sich in seine Lage hineinzuversetzen, nicht sagen kann, ob man selbst nicht genauso gehandelt hätte. Und zum anderen ist dieser Mensch vorher wie nachher ohnehin eine recht verlorene Figur, mit der man eigentlich mehr Mitleid empfindet als Haß. Und wenn er sterbend am Boden liegend Therese fragt, ob "der Haß nun weg ist", zeugt dies mehr als alles andere von einem vorhandenen Schuldbewußtsein und tiefer Gewissensqual. Und weil Therese und der Zuschauer ihm längst vergeben haben, wird er am Ende doch mit einem "reinen" Gewissen in den Tod gehen können, den man ihm allerdings überhaupt nicht mehr wünscht... Doch bereits vorher urteilt er über sich, als er Therese von Chavel erzählt: "Zu seinem Haus und seinem Garten wollte er schnellstens zurückkehren, so wie ein Versager, der fürchtet, man könnte ihn entlarven." Und auf Thereses Feststellung, dies klinge, als hasse er Chavel auch, entgegnet er: "Nein, ich verachte ihn bloß für das, was er getan hat."
Regisseur Jack Gold (momentan mit Der Fall Lucona in den Kinos) ist kein Neuling im Bereich Literaturverfilmung. Jeder erinnert sich zum Beispiel noch an den Film Der kleine Lord, in dem er schon einmal einfühlsam zeigte, wie ein aufgeweckter, in bescheidenen Verhältnissen aufgewachsener Enkelsohn eines verknöcherten Monarchen selbigen zur Einsicht bringt, daß das Glück im Leben nicht zuförderst mit Geld zu erkaufen sei.
Bedenkt man, daß The Tenth Man ein Produkt von nur 24 Drehtagen ist, ist das Ergebnis umso erstaunlicher. Und man fragt sich einmal mehr, warum solch wertvoller Stoff nur fürs Fernsehen verschwendet wird. Denn auch ohne großes Budget ist dieser Film noch hundertmal wichtiger und von mehr Gehalt als die meisten Hollywoodfilme, die heutzutage mit Trivial-Stories an den Kinokassen abräumen. The Tenth Man gehört zu den vielen Anthony-Hopkins-Filmen (Arch of Triumph), die mehr verdient hätten, als daß man sie im Fernsehen übersieht.

© 1993 by Jana B.
(Hopkins Files Nr.7)

 

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