Nur für Verrückte

Als ich in der ersten Ausgabe der Hopkins File über diesen Satz stolperte, wußte ich, daß dies das "hüpfende Komma" ist, wie man so schön sagt. Oder wie ist folgendes "Benehmen" zu erklären? Nachdem Das Schweigen der Lämmer so vielfach angepriesen wurde, mußte ich einfach testen, ob der Film wirklich so "grauenvoll, gnadenlos, genial" war, wie überall zu lesen stand (zumal A. Hopkins und J. Foster ein Begriff waren). Doch statt feuchten Händen, nervösem Herzflattern und Augenlidzucken, hatte ich meine Sympathie innerhalb kurzer Zeit schon vergeben. Ganz konkret passierte es, als Hannibal Lecter der FBI-Agentin durch die geschlossene Glaszelle mitteilte, welche Hautcreme und welches Parfüm sie benutze. (Welcher Mann kann das schon bei einer wildfremden Frau feststellen?!) Mit zunehmender Filmdauer begeisterten mich seine Ausstrahlungskraft, die Gestik, seine Augen und Intelligenz... Als in der Schlußszene Lecter so lässig hinter seinem nächsten Opfer hinterher bummelte, wünschte ich ihm sogar ein "Bon Appetit"! Nach dem Verlassen des Kinos fand ich diese Gedanken nicht normal und Zuhause schmetterte mich die Family mit den Worten ab: "Na, wer schon Kinski mag!" Das war allerdings auch nicht gerade das, was ich hören wollte. Nun wurden sämtliche Zeitungsrezensionen eingehend studiert, und ich stellte fest, daß fast immer eine versteckte Sympathiebekundung abgegeben wurde frei nach dem Motto: Böse ist er ja, aber... (Das beruhigte mich ein bißchen.) Wie gesagt, der Film machte "süchtig" und so wurde das Buch angeschafft. Es klebte förmlich an den Händen, und so habe ich es innerhalb eines Abends bzw. Nacht ausgelesen. (Um 2.30 Uhr interessiert es einen dann sehr, wenn plötzlich Schritte auf der Straße hallen und man feststellt, daß die Wohnungstür auch nicht 100% sicher ist!) Mit meiner Schwärmerei für Das Schweigen der Lämmer bin ich meinen Mitschülern ziemlich auf den Wecker gegangen. Man ekelte sich vor dem Film (ohne ihn gesehen zu haben) und hielt mich für eiskalt und abgebrüht. (Ehrlicherweise muß ich allerdings gestehen, daß ich beim ersten Filmbesuch manchmal ganz spontan weggesehen habe.) Eines Tages fing dann noch ein Lehrer von dem Film zu schwärmen an und erklärte den verdutzten Leuten: "Wissen Sie, das Gefährliche an dem Film ist, daß einem der Kannibale so sympathisch ist!" - He, dachte ich, endlich jemand, der einen versteht!
Tja, und nun muß ich feststellen, daß es noch eine Menge anderer Leute gibt... Was wäre allerdings die Kunstfigur des Hannibal Lecter ohne die brillante Verkörperung durch Anthony Hopkins?
Er scheint auch in natura ein ganz sympathischer Mensch zu sein, denn am 21.9.91 konnte ich folgenden Artikel der Tagespresse entnehmen: "Panisch. Als kannibalistisch veranlagter Hannibal Lecter schockt der Schauspieler Anthony Hopkins im Gruselstreifen Das Schweigen der Lämmer. Während einer Drehpause bei seiner neusten Krimiproduktion in Atlanta besuchte er ein Filmtheater, um sich an sich selbst zu ergötzen. Bei einer besonders gruseligen Szene überkam es ihn und er flüsterte seinem Vordermann ins Ohr: 'Keine Angst, Ihnen kann er nichts tun!' Der Angesprochene drehte sich um, starrte in die Fratze der Filmbestie Hannibal Lecter und rannte schreiend aus dem Saal, was den Menschen Hopkins köstlich amüsierte, was ihn uns Freunden der Schadenfreude so richtig sympathisch macht!"
Ich habe herzhaft darüber gelacht, zeugt doch diese Geschichte von einer gesunden Portion britischen Humors. Meine Leutchen konnten nicht so recht darüber lachen. Möchte bloß wissen, warum nicht. Oder sollte das mit dem "hüpfenden Komma" zusammenhängen???

© 1992 by Ute D.
(Hopkins Files Nr.2)

 

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