|
The
Bounty
Die BountyGB / USA 1984
Regie: Roger Donaldson / Produktion: Bernhard Williams u. Dino de Laurentiis / Drehbuch:
Robert Bolt / Musik: Vangelis
Mit: Anthony Hopkins (Captain Bligh), Mel Gibson (Fletcher Christian), Laurence Olivier
(Hood), Edward Fox (Greetham), Daniel Day-Lewis (Freyer), Philip Davis (Young) u.a.
Gegenkritik
Ich muß hier einmal Stellung nehmen zu Claudias Bounty-Kritik.
In einem Punkt hat Claudia recht: Was der deutsche Schnitt dem Film angetan hat, ist nicht
mehr gutzumachen. Man kann ganz deutlich spüren, daß der Film wohl zu progressiv gewesen
sein muß. Es kann ja auch nicht angehen, daß der böse, tyrannische Ltd. Bligh etwa
seine durchaus plausiblen Gründe gehabt haben könnte. Hatten doch die anderen drei Filme
vorher eindeutig "bewiesen" was für ein Schurke Bligh gewesen war. Wen störte
es da, daß neue Dokumente über die Meuterei ein ganz anderes Licht auf die Geschehnisse
warfen. Dieser Filme durfte anscheinend, nach deutschen Maßstäben, nicht aus der Reihe
tanzen.
Die Originalfassung (um eine halbe Stunde länger als die deutsche) tut dies ganz bewußt.
Neue historische Dokumente wurden entdeckt, und der Regisseur und der Drehbuchautor haben
sich einmal die Mühe gemacht, hinter die Charaktere zu blicken. Was genau sahen sie da,
und was brachten sie geschickt herüber?
Da ist zum einen Fletcher Christian. In den gängigen Filmen immer als Held und
untadeliger Mensch dargestellt. In diesem Streifen allerdings ist er nicht mehr als ein
junger Mann, der sich durch seinen Trieb und seine Rachegefühle zu einer Meuterei
hinreißen läßt. Ist er zu Beginn des Films und der Reise doch eindeutig auf Blighs
Seite und dessen enger Freund. Ja, er begehrt nicht einmal bei der strapaziösen Reise um
Kap Horn auf, wo der rechtschaffene und gehorsame Fryer sich längst gegen seinen Kapitän
stellt. Gereichte es Christian ja auch zum Vorteil, wurde er doch anstelle Fryers zum
ersten Offizier.
Nein, erst als ihm die Häuptlingstochter auf Tahiti die ungezwungene Liebe zeigt, frei
von allen Konventionen des Englands des 18. Jahrhunderts, und er diese von allen Zwängen
freie Gesellschaft verlassen soll und muß, erst da wendet er sich gegen seinen Kapitän,
der so perfekt die Zwänge und Konventionen der britischen Gesellschaft widerspiegelt. Und
natürlich, als es um seine Ehre geht, als die Männer unter seinem Kommando auf dem
Schiff immer wieder zu derselben Arbeit gezwungen werden und ihm damit eine gewisse
Unfähigkeit bescheinigt wird, regt sich sein Ehrgeiz und Widerstand. Es ist durchaus
nicht so gewesen, daß Christian aus Mitleid mit der Mannschaft und Edelmut meuterte, es
waren ganz eigene, menschliche Beweggründe.
Zum zweiten ist dort Bligh. William Bligh ist ein Gefangener seiner Welt, ein Gefangener
seiner Gesellschaft. Er hat einfach nicht den Mut auszubrechen. Zu sehr ist er in diesen
Bahnen verankert. Nicht einmal die freizügige Lebensart Tahitis kann ihn dazu
veranlassen. Was seine Mannschaft tut, empfindet er als unmoralisch. Zum Verrat (in seinen
Augen) wird es erst, als sich sein Freund Christian, auf den er sich verlassen konnte,
ebenfalls gegen das System auflehnt. Verkörpert er, Bligh, doch die Obrigkeit und
Autorität. Ein Auflehnen gegen die bestehenden Normen bedeutet auch ein Auflehnen gegen
Bligh. Schlimm wird die Sache erst, als Bligh die alte Ordnung (dabei ist die alte Ordnung
nur gegen eine neue ersetzt worden) wiederherstellen will und dabei zu harten Maßnahmen
greift. Bligh merkt nicht, daß seine Strafen in Schikane ausarten, da er nie ein sicheres
Gespür für Menschen hatte. Was für Bligh zählt, ist Disziplin und unbedingter
(blinder?) Gehorsam. Gefühle dürfen nicht sein, ist er sich seinen gegenüber selbst
nicht sicher. Deshalb klammert er sich so an die bestehenden Konventionen, da er gewohnt
ist, in ihren Bahnen zu laufen und sie ihm ein gewisses Gefühl der Sicherheit geben.
Bligh ist zerfressen von Ehrgeiz. Bei seinem Streben nach Ruhm und Ehre (und einer
höheren Position) ist ihm jedes Mittel recht, kann er doch nicht durch höhere Geburt von
vornherein mit solchen Ehren rechnen. Jede Anerkennung muß hart errungen werden. Was sein
Streben schließlich für Opfer fordert, ist ihm nicht unbedingt egal, aber es stellt ein
Risiko dar, das in Kauf genommen wird. Passiert dann ein Mißgeschick oder kommt ein
Mensch zu Schaden, sucht er den Fehler bei anderen, erscheint ihm sein Handeln doch
hundert Prozent richtig. Bligh war kein Tyrann und Menschenschinder. Sein Unvermögen, mit
Menschen umzugehen, und sein blinder Ehrgeiz ließen ihn nur so erscheinen.
Es muß an dieser Stelle wohl nicht extra erwähnt werden, daß die schauspielerischen
Leistungen, besonders die der beiden Hauptdarsteller, hervorragend sind und genau die
Gefühle und Beweggründe vermitteln, welche die Macher des Films beabsichtigt hatten.
Wobei Mel Gibson etwas jung wirkt. Aber war Fletcher Christian das nicht auch?
© 1992 by Bob H.
(Hopkins Files Nr.4)
Weitere Hopkins Files -
Kritiken zu diesem Thema:
Die Bounty
The Bounty - Lebensgefahr |
|