|
The
Innocent
Und der Himmel steht still...GB /
BRD 1993
Regie: John Schlesinger / Kamera: Dietrich Lohman / Drehbuch: Ian McEwan nach seinem Roman
/ Musik: Gerald Gouriet
Mit: Isabella Rossellini (Maria), Campbell Scott (Leonard Marnham), Anthony Hopkins (Bob
Glass), Roland Nitschke (Otto) u.a.
Die Achillesferse des Campbell
Scott
Nun gibt es Achillesfersen auch in ganz exzellenten Filmen,
so in John Schlesingers jüngstem Werk Und der Himmel steht still. - Ich stimme
Bettina zu, der Film mag hier und da seine leichten Ungereimtheiten haben, aber dennoch
bin auch ich der Meinung, daß man ihn durchaus als überaus gelungen bezeichnen kann!
(Ich verstehe wirklich nicht, wieso er von ziemlich vielen Kritikern teilweise fast schon
in der Luft zerfetzt wurde. Ob Ihr's glaubt oder nicht, einer bezeichnete (natürlich in
geistiger Umnachtung, neben Humorlosigkeit die zweite Berufskrankheit dieser Leute)
unseren Tony als eine Fehlbesetzung! - Ich sage dazu nur, habt Mitleid mit dem armen Mann,
dem Kevin Costner wegen dessen Darstellung in JFK (ja, ja, bloß kein Overacting,
Mister Costner!) wahrscheinlich lieber gewesen wäre.)
Die von mir angesprochene Achillesferse betrifft aber gar nicht den Film selbst, sondern
ganz speziell einzig und allein seinem zweiten männlichen Hauptdarsteller, nämlich den
sicher sehr talentierten Campbell Scott. Also von vorne herein muß man ja fairerweise
zugeben, dieser Schauspieler gibt in Und der Himmel steht still sein Bestes.
Dennoch wirkt er auf mich über weite Strecken hinweg leider ziemlich blaß. (Wer wirkt
neben Anthony Hopkins eigentlich nicht blaß?)
Natürlich ist ja bereits die Rolle des Leonard Marnham so angelegt, daß Bob Glass ihm
immer erst zeigen muß, wie die Dinge laufen (Zettel mit Marias Telefonnummer aus der Hand
gerissen: "Ich tue Ihnen nur einen Gefallen!"), aber Mr. Scott erweckte in mir
fast manchmal den Eindruck, als wolle er dem guten Tony lieber gleich das Feld
überlassen, obwohl dies vielleicht auch schon wieder etwas übertrieben ist?
Nun ist es aber ja leider so, nicht nur wegen des zum Ritter geschlagenen Kannibalen, daß
Scott schwer kämpfen muß, um noch genügend Aufmerksamkeit erzielen zu können, nein,
ebenso aufgrund Isabella Rossellini, die anscheinend von ihrer Mutter, neben der
ungeheueren Ähnlichkeit, auch deren Talent vollständig geerbt hat. Jedenfalls spielt sie
die Rolle der Maria ganz hervorragend, einfach superb! Da war ich dann wegen der Szene, in
der Scott sie stark angetrunken primitivst zum Auskleiden zwingen will, nicht nur wegen
der Situation an sich, vor Wut und riesengigantischem Zorn rot angelaufen, nein, auch
deshalb, weil derlei Handgreiflichkeiten, so persönlich es auch klingen mag, Mr. Scott
aufgrund seiner Laschheit schlichtweg nicht zustehen. (Natürlich auch sonst keinem Mann!)
Die ungeheure Dominanz Isabella Rossellinis konnte man am deutlichsten in ihrem
Zusammenspiel mit Scott erkennen. Gewiß ist auch ihre Rolle, genau wie die Tonys, bereits
so willensstark angelegt, aber dennoch war nicht zu übersehen, wie leicht sie Scott
förmlich an die Wand spielen konnte, was sicher gar nicht in ihrer Absicht lag, und ihn,
wenn sie gewollt hätte, sogar vollständig blaß hätte erscheinen lassen können.
Ich habe nun bereits vor längerer Zeit gehört, Mr. Scott habe in irgendeinem Julia
Roberts-Film die männliche Hauptrolle gespielt und angeblich sei der Film einzig und
allein aufgrund seines Spiels noch goutierbar! Daß ich noch nicht einmal den Titel des
Films nennen kann, liegt einfach an der soeben genannten Pretty (aber nicht mein
Typ) Woman. Ich schalte aus verständlichen Gründen nämlich immer sofort
(vollständig) ab, sobald ich den Namen Julia Roberts höre! (Meine
Lieblingsschauspielerinnen sind Vollblutschauspielerinnen: Emma Thompson, Anne Bancroft
und Winona Ryder.)
Doch kehren wir wieder zu Campbell Scott zurück. Wie ich bereits anfangs erwähnte, gibt
er ohne jeden Zweifel sein Allerbestes, steckt seine gesamten darstellerischen
Fähigkeiten in die Rolle des Leonard Marnham und vermag im großen und ganzen auch, zu
überzeugen. Im großen und ganzen, ja, aber jene eben erwähnte Laschheit bricht da immer
wieder während des gesamten Films durch. Wie schon gesagt, eignet sich Mr. Scott, sobald
er mit Tony oder Isabella Rossellini zusammenspielt, eine gewisse Art der Distanziertheit
in seinem Spiel an, welche jetzt überhaupt nichts mit der so "grün" angelegten
Person des Leonard Marnham zu tun hat. Ich bin sogar der Meinung, Mr. Scott hatte durchaus
großes Glück, daß er doch relativ viele Szenen bekam, in welchen er ohne seine beiden
übermächtigen Co-Stars agieren konnte. Jedoch auch in diesen seinen sozusagen ganz
persönlichen Szenen konnte er mich nicht gerade fesseln.
Ich nehme nun mal gar kein Blatt mehr vor den Mund und gebe zu, daß er, natürlich auch
eine Nachwirkung der versuchten gewaltsamen Auskleidung Marias, in mir selbst schließlich
fast nur noch Antisympathie erwecken und ich mir in manchen Szenen eine geradezu
diebische, boshafte Schadenfreude nicht verdenken konnte. In der Szene, in welcher Leonard
von dem genialen Dudelsackpfeifer so wunderbar gnadenlos bedrängt wird, mußte ich dann
auch einfach schallend lachen. Gut, diese Szene ist natürlich auch so angelegt, jedoch
gönnte ich Mr. Scott seinen schottischen Nervenzermürber da fast schon.
Überhaupt, hier muß ich noch einmal kurz von Campbell Scott abschweifen und erneut
Bettina zu ihrem Artikel Recht geben, der Film enthielt tatsächlich ein ganz gehöriges
Maß an schwarzem Humor! Mein bereits erwähntes schallendes Lachen konnte ich mir in der
Szene, in welcher Leonard und Maria zunächst vergeblich versuchen, Ottos Leiche (noch im
Ganzen) die Treppe hinunter und aus dem Haus zu schaffen, sich schließlich jedoch
aufgrund der Bewohner wieder in Marias Wohnung zurückziehen, wirklich nur noch mit aller
größter Mühe verkneifen! Die Stelle, in welcher der Hund verständlicherweise recht
eifrig an den Koffern, gefüllt mit Otto, herumschnüffelt und Leonard, nervlich nun
völlig down, die Besitzerin des Wauwaus lautstark anpöbelt, um dann auch eine
entsprechende Antwort zu bekommen, war ebenfalls zum Trainieren der Lachmuskeln
hervorragend geeignet.
Okay, kommen wir aber jetzt langsam zum Schluß des Films. Zuvor gab es noch jene
großartige Szene, in welcher Bob Glass aus Marias Wohnung mit Leonard telefoniert und
diesem versichert, er wüßte, was sich in den Koffern befindet und würde die Situation
bereinigen. Als Maria Bob Glass dann auf den Kopf zusagt, sie wüßte, was er für sie
empfindet, und er sie dann endlich umarmt, dachte ich nur noch, endlich hat dieses nette
Mädchen den Richtigen erwischt, nämlich unseren Tony, der dann auch noch zeigte, welche
ungeahnten tiefen Gefühle hinter der militaristischen Fassade von Glass innewohnen.
Dann schließlich der Flugplatz. Zugegeben, Leonard konnte einem da schon leid tun, als er
immer noch Maria fragte, wo denn eigentlich ihr Gepäck sei, und sie versuchte, ihm ohne
jegliches unnütze Drumherum-Gerede klarzumachen, wie es mit ihren Empfindungen ihm
gegenüber steht. Als sie ihm dann "Ich hasse Dich!" ins Gesicht schleudert,
konnte ich es ihr (muß ich mich wirklich entschuldigen?) einfach nicht verdenken, (nein,
ich entschuldige mich nicht!) im Gegenteil! Leonard Marnham kam mir sowieso, bereits vor
Ottos Zerlegung, zeitweise wie ein neurotisches Nervenbündel vor.
Campbell Scott gibt in Und der Himmel steht still sein Allerbestes. Aber, und
genau das scheint mir seine Achillesferse zu sein, neben solch ungeheuer selbstsicher
agierenden alten Hasen im Filmgeschäft wie Tony und Isabella Rossellini wirkt er einfach
zu blaß, um noch mithalten zu können. Er spielt wirklich gut, nur die Sache ist halt
die: Das reicht eben nicht, wenn der Co-Star Anthony Hopkins heißt!
Ach, und ganz zum Schluß möchte ich eine durchaus interessante Frage stellen: Würde
Maria Mr. Marnham auch ohne Rose im Haar noch an ihren Tisch gebeten haben?
© 1993 by Matthias W.
(Hopkins Files Nr.8)
Weitere Hopkins Files -
Kritiken zu diesem Thema:
The Innocent
Unschuldige Begegnung der hannibalistischen Art |
|