The Remains of the Day
Was vom Tage übrigblieb

GB / USA 1993
Regie: James Ivory / Produktion: Ismail Merchant / Kamera: Tony Pierce-Roberts / Musik: Richard Robbins / Drehbuch: Ruth Prawer Jhabvala nach dem gleichnamigen Roman von Kazuo Ishiguro
Mit: Anthony Hopkins (Mr.Stevens), Emma Thompson (Miss Kenton / Mrs.Benn), James Fox (Lord Darlington), Peter Vaughan (Mr.Stevens senior), Christopher Reeve (Lewis), Hugh Grant (Reginald Cardinal) u.a.

The Remains of the Day spielt in England in den dreißiger Jahren. Lord Darlington (James Fox), der Herr auf Darlington Hall, ist Anhänger der Appeasement-Politik, die eine Öffnung Deutschland gegenüber anstrebte. Auf Darlington Hall findet zu diesem Thema eine Konferenz mit europäischen Botschaftern statt. Die Ausführung und Organisation liegt in den Händen von Mr.Stevens (Anthony Hopkins), dem Butler.
Mr.Stevens ist das Musterbeispiel eines guten Butlers. Bei der Konferenz sind ihm nur die reibungslose Organisation und das Wohlbefinden der Gäste wichtig. Das Fußbad für die wunden Füße des französischen Gesandten, der zu enge Schuhe getragen hat, steht vor der Sorge um den todkranken Vater (Peter Vaughan), dem Mr.Stevens die Stelle des Underbutlers im Hause verschafft hat, nachdem er den vorherigen Underbutler und die Haushälterin entlassen hat, weil sie ein Verhältnis miteinander hatten.
Die Stelle der Haushälterin wird mit Miss Kenton (Emma Thompson) neu besetzt. Sie wirbelt die beschauliche Routine von Mr.Stevens mit ihrer energischen Art ganz schön durcheinander, aber er schätzt es, wie sie die Dinge im Griff hat. Miss Kenton würde die Beziehung gerne auf eine privatere Basis stellen, Mr.Stevens zieht es jedoch vor, im dienstlichen Rahmen zu bleiben. Enttäuscht nimmt sie schließlich den Heiratsantrag von Mr.Benn (Tim Pierce-Roberts) an, den sie aus einem früheren Arbeitsverhältnis kannte.
Nach dem zweiten Weltkrieg, Ende der vierziger Jahre, stehen Mr.Stevens und Mrs.Benn in Briefwechsel. Sie hat ihren Mann verlassen und lebt in der Pension ihrer Schwester. Lord Darlington ist gestorben, sein Ruf war durch seine Kontakte zu den Nationalsozialisten in seinen Kreisen ruiniert. Congressman Lewis (Christopher Reeve), der auf der Konferenz vor einem zu vertraulichen Verhältnis zu den Deutschen gewarnt hatte, hat Darlington Hall gekauft und Mr.Stevens als Butler übernommen.
Mr.Stevens erhält eine Einladung von Mrs.Benn, und nach langer Zeit sehen sie sich wieder. Mr.Stevens macht ihr den Vorschlag, wieder auf Darlington Hall als Haushälterin zu arbeiten. Inzwischen hat jedoch Mr.Benn seine Frau gebeten, wieder zu ihm zurückzukommen und ihr die Nachricht überbracht, daß die gemeinsame Tochter ein Baby erwartet. Mrs.Benn hat beschlossen, daß ihr Platz bei der Familie ist. So verbringt sie mit Mr.Stevens den Nachmittag, und am Abend trennen sich ihre Wege wieder.

Auf den ersten Blick scheint eine verhinderte Liebesgeschichte zwischen zwei Hausangestellten auf einem englischen Landsitz Ende der dreißiger Jahre kein so unbedingt interessantes Thema zu sein, zumal sich auch der größte Teil des Films im Dienstbotenbereich von Darlington Hall abspielt. Doch das ist wiederum interessant, weil man sehen kann, wieviel Personal es in solch einem Haus gab und wie die Adligen ihre Dienstboten behandelt haben, - nämlich wie eine andere Klasse Mensch.
Vielleicht fällt es schwer, sich mit einem Butler oder einer Haushälterin zu identifizieren, die völlig in ihren Pflichten aufgehen, aber es wird sehr schnell deutlich, daß sie Menschen sind: Mr.Stevens ist nicht gefühllos, wenn er sich kaum um seinen sterbenden Vater kümmert. Er ist nur so pflichtbewußt, daß er den reibungslosen Ablauf der Konferenz als das wichtigste ansieht. Es ist ihm sicher auch nicht leicht gefallen, der Vorgesetzte seines Vaters zu sein und ihm Anweisungen geben zu müssen, aber seine Stellung verlangt dies. Er muß seinen Vater sogar zum Putzdienst "degradieren", als der alte Mann Dinge vermißt und mit dem Tablett beim Servieren stürzt.
Mr.Stevens ist Mensch genug, einem hübschen neuen Hausmädchen hinterherzuschauen, und es irritiert ihn sehr, als Lord Darlington ihn bittet, seinen Patensohn Reginald (Hugh Grant), der sich bald verheiraten wird, über die "facts of life" aufzuklären. Die Szene, in der der verlegene Mr.Stevens dem freundlich-aufmerksam zuhörenden jungen Mann vom Erwachen der Natur erzählt, ist köstlich in ihrer Komik. Wie erleichtert ist Mr.Stevens, als er durch die Ankunft der ersten Gäste zur Konferenz unterbrochen wird! (Ich weiß nicht, wie die Schauspieler es geschafft haben, bei dieser Szene ernst zu bleiben!)
Das Zusammenspiel von Anthony Hopkins und Emma Thompson ist brillant: Sie liefern sich zunächst kleine Machtkämpfe. Er behauptet seine Position, sie erkämpft sich ihre. In einer Szene macht Miss Kenton ihn darauf aufmerksam, daß sein Vater eine chinesische Statue nach dem Saubermachen an den falschen Platz zurückgestellt hat. Mr.Stevens sagt, er sei im Augenblick sehr beschäftigt und bittet sie, draußen zu warten bis er seine augenblickliche Arbeit erledigt hat - und als sie empört den Raum verläßt, schleicht er zur Tür, um nachzusehen, ob sie auch wirklich draußen wartet.
In einer anderen Szene sehen wir Mr.Stevens privat - in Hemdsärmeln und Strickjacke. Er will verlegen das Buch, in dem er gerade gelesen hat, beiseite legen, als Miss Kenton hereinkommt. Sie ist neugierig, was er denn liest, und als er nicht mit der Sprache herausrücken will, drängt sie ihn regelrecht in eine Ecke des Zimmers. Er ist so verblüfft und schockiert über dieses Eindringen in seine Privatshäre, daß er sich nicht wehrt und sich das Buch - eine sentimentale Liebesgeschichte! - aus der Hand nehmen läßt.
Je mehr Mr.Stevens sich auf dienstliche Belange zurückzieht, die Gespräche immer wieder dorthin bringt, desto persönlicher wird Miss Kenton. Zum Schluß sagt sie ihm, daß sie Mr.Benns Heiratsantrag angenommen hat und daß sie sich beide über seine förmliche Art lustig gemacht haben. Mr.Stevens geht jedoch gar nicht darauf ein und erspart sich somit auch eine Auseinandersetzung damit, wie unglücklich sie ist. Es ist deutlich, daß ihm gefällt, daß sie sich zu den Geschehnissen um sie herum eine Meinung bildet und diese auch ausspricht. Zum Beispiel empört sie sehr, daß Lord Darlington zwei deutsche Hausmädchen entläßt, weil ihre jüdische Abstammung seinen Nazigästen mißfallen könnte. Ohne Arbeit müssen die Mädchen wieder nach Deutschland zurück, von wo sie vor den Nazis geflohen sind. Miss Kenton überlegt sogar, ihre Stellung in Darlington Hall deswegen aufzugeben, findet aber dann doch nicht den Mut zu dieser Konsequenz und verachtet sich dafür.
Mr.Stevens dagegen hat keine Meinung zu politischen Einstellungen und deren Folgen. Auf der Konferenz hat er von den Reden nichts mitbekommen. Als ihn ein Besucher Lord Darlingtons zu politischen Themen befragt, um die Meinung des "einfachen Mannes" zu erkunden, weiß Mr.Stevens nichts dazu zu sagen. Er bedauert, in dieser Angelegenheit nicht helfen zu können. Über die Konferenz befragt, gibt er an, zu beschäftigt mit der Organisation gewesen zu sein, um zuzuhören. Er ist Lord Darlington gegenüber absolut loyal und kritisiert seine Entscheidungen nicht - aber später, auf die Nazisympathien des Lords angesprochen, leugnet er, Lord Darlington gekannt zu haben und schon auf Darlington Hall beschäftigt gewesen zu sein.
Auf seiner Reise zu Miss Kenton hat er eine Autopanne und wird aufgrund der von seinem jetzigen Dienstherrn ausgeborgten Luxuslimousine in dem Gasthaus, wo er Hilfe sucht, für ein hohes Tier gehalten. Er spielt das Spiel auch eine Weile mit und gibt mächtig an, später aber gibt er zu, nur ein Dienstbote zu sein und von Politik keine Ahnung zu haben. Es scheint, als habe er damit erproben wollen, wie es gewesen wäre, hätte er sich anders, politisch bewußter verhalten und sich eine eigene Meinung gebildet. Diesen "Luxus" leistet er sich jedoch nur in seiner knappen freien Zeit - wie das Lesen eines gefühlvollen Buches oder das Anhören gefühlvoller Musik. Mit seinen Dienstpflichten sieht er diese Dinge als unvereinbar an. Aus diesem Grund möchte er die Kontakte zu Miss Kenton auch auf einer dienstlichen Ebene belassen. Es würde ihn sehr belasten, dienstliche und private Belange in ihrer Person vermischen zu müssen, da ihn dies bei seinem Vater schon sehr verwirrt hat. Miss Kenton gibt schließlich ihre Bemühungen um ihn als hoffnungslos auf und heiratet einen Mann, den sie nicht liebt, den sie verläßt, zu dem sie aber später zurückkehrt - aus Pflichtbewußtsein. Sie hat Mr.Stevens Beispiel angenommen und private Belange (ihre Zuneigung zu Mr.Stevens) hinter ihre Pflichten als Ehefrau, Mutter und Großmutter zurückgestellt und damit - wie Mr.Stevens - ihr Leben nicht so gelebt, wie sie es gerne gewollt hätte. Zum Schluß erkennen beide, daß es zu spät ist, jetzt noch etwas zu ändern. Sie haben sich beide letztendlich freiwillig entschieden und machen nun das Beste daraus.
So handelt The Remains of the Day von Verzicht und verpaßten Chancen und ist insofern ein melancholischer Film. Schauspielerisch und in der Regie ist er genauso perfekt wie schon Howards End und ebenso voll menschlicher Wärme und leisem Humor.
Anthony Hopkins fügt der Reihe seiner Darstellungen wieder ein Meisterstück hinzu - ob dabei eine Nominierung oder gar ein Oscar herauskommt, bleibt abzuwarten. Ich denke, das Thema ist zu "britisch", aber gönnen würde ich es ihm schon. Fast kann ich nicht mehr glauben, daß dieser Mann "Hannibal the Cannibal" gewesen sein soll... nur ein erneuter Beweis für die Vielseitigkeit unseres "kleinen Walisers".
Anzumerken ist noch, daß seine Tochter unter dem Namen Abigail Harrison eine Nebenrolle als Dienstmädchen spielt.

© 1994 by Gabi G.
(Hopkins Files Nr.9)

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