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La Belle Noiseuse
von Lilith

Teil 4 von 4

Kapitel 8

Während der ganzen Fahrt zurück, sprechen wir nicht ein einziges Wort miteinander. Ich drücke mich an das Fenster des Beifahrersitzes und versuche, soviel Distanz zwischen uns zu legen wie nur möglich. Er schenkt mir nicht einmal einen Blick, aber das ist auch gar nicht nötig, denn ich kann auch so seine Gewaltbereitschaft mit jeder Faser meines Körpers spüren.

Er fährt schnell, aber nicht zu schnell, damit wir nicht Gefahr laufen, wegen überhöhter Geschwindigkeit aufgehalten zu werden. Die Uhr tickt unaufhörlich, aber nur ich weiß, dass er es nicht schaffen kann. Nicht einmal mit Zauberei könnte er die Mail noch aufhalten. Nichts, was in seiner oder in meiner Macht steht, kann das jetzt noch.

Als wir endlich bei seinem Haus ankommen, fährt er den Wagen gar nicht erst in die Garage sondern überquert einfach den Rasen und hält unmittelbar vor der Eingangstür. Er steigt aus, läuft auf die Beifahrerseite, reißt die Tür auf und zieht mich unsanft aus dem Auto. Dann schiebt er mich, mein Handgelenk immer noch in seinem eisernen Griff, vor sich her, öffnet die Tür und stößt mich in den Korridor. Die Stöckelschuhe sind ohnehin etwas ungewohnt für mich und diese rüde Behandlung ist zuviel für meinen Gleichgewichtssinn. Ich kann gerade noch ein paar Schritte machen, ehe ich mich auf dem Boden wiederfinde.

Er lässt mir nicht einmal die Zeit um von selber aufzustehen, sondern zieht mich an meinem Ellenbogen brutal wieder auf die Beine. Auf mein wütendes "Au!" reagiert er in keinster Weise. Dann zerrt er mich ohne viel Federlesens in das Wohnzimmer, wo er in einer Ecke seinen Laptop stehen hat. Er nötigt mich unsanft in den davor stehenden Sessel, drückt den Power-Knopf und beugt sich schließlich zu mir herunter.

Einen seiner beiden Arme stützt er auf dem Tisch ab, den anderen auf der Lehne meines Sessels. Ich habe keine Möglichkeit, Raum zwischen uns zu bringen und so seiner beängstigenden Präsenz zu entkommen. Mein Fluchtreflex ist enorm und ich versuche instinktiv aufzustehen und seine Hände wegzuschieben. Aber er drückt mich erbarmungslos zurück in den Sessel, fährt mit einer Hand unter mein Kinn und zwingt mich, auf den Bildschirm zu schauen.

Mit der anderen Hand tippt er sein Losungswort ein und öffnet seinen Outlook Express. Er wartet erst gar nicht bis das Programm hochgefahren ist, sondern wendet sich vom Bildschirm ab, beugt sich zu meinem Ohr herunter und teilt mir mit tödlicher Ruhe mit,

"Agentin Starling, wenn ich meinen Blick gleich wieder auf diesen Bildschirm richte, dann möchte ich die Meldung sehen, dass diese Mail noch nicht hinausgegangen ist, denn wenn nicht..."

Ich atme tief durch. Das ist es also. Ich kann es ohnehin nicht mehr aufhalten, also kann ich es genauso gut gleich hinter mich bringen.

"Das kann ich nicht tun, Dr.Lecter."

Simpel und tödlich.

Sein Kopf fährt hoch, er greift unsanft in mein Haar und zieht meinen Kopf nach hinten. Ich habe jetzt sein Gesicht über mir und ich kann nur sagen, dass ich niemandem wünsche, jemals so ein Gesicht sehen zu müssen. Ein Gesicht, in dem man seinen eigenen Tod sehen kann.

Seine Antwort auf meine Weigerung presst er durch seine geschlossenen Zähne und er betont jede einzelne Silbe davon.

"Sie können nicht, Agentin Starling? Und würden Sie mir bitte freundlicherweise verraten, wieso nicht?"

Ich spüre plötzlich wie mich eine seltsame Ruhe überkommt. Es erscheint alles so unwirklich, beinahe so wie in einem schlechten Traum. Ich tue mich schwer damit, meine Muskeln so weit unter Kontrolle zu bekommen, dass ich meinen Mund öffnen und sprechen kann.

"Ich kann das deshalb nicht tun, weil diese Mail bereits abgeschickt worden ist."

Er lässt mich los, als wäre er von einer Tarantel gestochen worden. Dann schiebt er mich und den Sessel einfach weg, stellt sich vor seinen Laptop und überprüft das, was ich ihm soeben gesagt habe. Als er die Wahrheit meiner Worte für sich verifiziert hat, richtet er sich wieder auf, drückt seinen Rücken durch und dreht sich langsam, sehr langsam, zu mir um.

Ich bin in der Zwischenzeit aufgestanden und stehe mehr schlecht als recht vor ihm. Warum fühle ich mich eigentlich plötzlich so schwach? Die Müdigkeit zerrt an meinen Gliedern und ich möchte nichts sehnlicher als in ein Bett, in dem ich mich verkriechen und vor der Welt verbergen kann. Aber mein Verstand flüstert mir zu, dass ich mir solche Gefühle jetzt nicht leisten kann. Wach auf, Mädchen, wach auf! Was du jetzt sagst oder tust, wird darüber entscheiden, ob du die nächsten Minuten überlebst oder nicht.

Als er einen Schritt auf mich zumacht, gehe ich unwillkürlich einen Schritt zurück. Das Spielchen spielen wir noch einmal und dann noch einmal. Dann bleibt er stehen und ich kann sehen, wie seine Wangenmuskeln zucken und seine Kiefer mahlen. Schließlich verzieht er seinen Mund zu einem halben Lächeln.

"Warum, Clarice? Warum spielen Sie mit mir ein Spiel, das ich von vorneherein nicht gewinnen konnte? Diese Mail, für die ich mein Innerstes vor Ihnen ausgebreitet habe, diese Mail, für die ich mich von Ihnen zum Narren habe machen lassen, diese Mail... ist bereits vor über einer Stunde hinausgegangen."

Ich antworte ihm nicht auf diese Frage, denn ich muss momentan alle Kraft darauf verwenden, aufrecht und einigermaßen ruhig vor ihm stehen zu bleiben. Schließlich nickt er, krempelt seine Ärmel hoch und nimmt das Harpy aus seiner Hosentasche. Er klappt es auf und die fürchterliche Klinge spiegelt den Schein der Kerze wieder, die immer noch auf dem Tisch steht. Sie wirft flirrende Funken an die Wand. Seltsam, welche unwichtigen Dinge man in so einer Ausnahmesituation bewusst wahrnimmt.

"Sie wissen, dass Sie mir keine Wahl lassen, Clarice. Ich wünschte wirklich, es würde einen anderen Weg geben, aber Sie haben sich das, was nun kommt, selber zuzuschreiben..."

Noch ehe ich es verhindern kann, verlassen ein paar Worte krächzend meinen Mund,

"Werden Sie mich jetzt töten, Dr. Lecter?"

Gott, wie erbärmlich, aber es ist mir einfach so herausgerutscht. Auch wenn ich es mir anders gewünscht hätte, aber es ist eben nicht jedem gegeben, seinem gewaltsamen Tod stoisch ins Auge zu blicken.

Seine Reaktion auf meinen peinlichen Ausbruch ist allerdings erstaunlich. Er blickt auf sein Messer, dann auf mich. Schließlich wirft er den Kopf in den Nacken und atmet tief durch. Als er mich wieder anblickt, kneift er spöttisch seine Lippen zusammen und... klappt das Harpy wieder zu. Schließlich macht er noch eine wegwerfende Handbewegung in meine Richtung und sagt,

"...nur ein kleines Mädchen... Clarice... Sie sind wirklich nur ein kleines Mädchen... meine Zeit nicht wert..."

Mit diesen Worten dreht er sich um und geht schnell in Richtung zur Treppe. Ich erwache erst aus meiner Erstarrung, als er bereits den Absatz erreicht hat und sich anschickt, nach oben zu laufen. Vermutlich möchte er noch ein paar wichtige Dinge zusammenpacken, bevor er endgültig die Flucht ergreift und wieder einmal aus meinem Leben verschwindet. Diesmal definitiv für immer, soviel ist sicher.

Ich bin richtiggehend betäubt und kann immer noch nicht glauben, dass es wirklich funktioniert hat. Dass alles so gekommen ist, wie es kommen sollte, dass ich Antworten auf alle meine Fragen bekommen habe und... dass ich das Ganze offenbar überlebt habe.

Letztendlich habe ich aber nun auch eine Antwort auf die eine Frage, die mich ganz persönlich betrifft. Ich kann ihn nicht gehen lassen. Nein, ich sollte wirklich ehrlicher zu mir selber sein. Ich will ihn nicht gehen lassen.

Mit dem Mut der Verzweiflung strecke ich mich, folge ihm in den Korridor und rufe ihm nach,

"Wollen Sie jetzt etwa das Land verlassen, Dr. Lecter? Sagen Sie mir doch, welche Ihrer falschen Identitäten wollen sie denn dafür benutzen: Dr. Thomas Hayward, Mr. Frank Parks oder doch lieber Dr. Simon Franconi? Und welches Ihrer Autos wollen Sie denn dafür benutzen? Den Jaguar, den Pickup oder die beiden unauffälligen Fords, die Sie auf gemieteten Parkplätzen in New York und in Miami stehen haben!"

Meine Worte veranlassen ihn dazu, stehenzubleiben und sich halb umzudrehen. Über seine Schulter hinweg zischt er mir zu,

"Sie sind gut, Agentin Starling, wirklich gut..."

"Nein", unterbreche ich ihn. "Sie irren sich, Doktor. Ich bin nicht nur gut, ich bin besser. Ich bin die Beste, um genau zu sein. Genauso wie Sie, und seien wir doch ehrlich: Sie würden auch nichts weniger haben wollen. Ebenso wenig wie ich. Ich gebe mich an keinen Verlierer, Dr. Lecter. Sie können ruhig hier bleiben und sich wieder fassen... Sie haben nämlich gewonnen."

"Ein neues Spielchen, Agentin Starling?"

Ich antworte mit einem resignierenden Seufzen,

"Ex-Agentin ist in diesem Zusammenhang wohl angebrachter, Dr. Lecter."

Nach diesen Worten dreht er sich vollständig zu mir herum und steigt die Treppe wieder herunter.

"Das ist ja wirklich interessant... Ex-Agentin Starling. Ich bin also der Sieger in diesem Spiel? Nun, wie mir scheint ist mir da einiges entgangen. Klären Sie mich doch freundlicherweise auf, aber schnell, wenn ich bitten darf, denn - wie Sie verstehen werden - mir läuft wieder einmal die Zeit davon."

Es ist unmöglich in der Dunkelheit des Korridors seine Stimmungen an seinem Gesicht abzulesen. Aber ich glaube aus seiner Stimme, neben Ungeduld und Ärger, auch so etwas wie eine melancholische Nuance herauszuhören. Da ich weiß, dass auch seine Sinneswahrnehmung weitestgehend auf das Hören beschränkt ist, versuche ich, soviel Überzeugungskraft wie möglich in meine Stimme zu legen.

"Sie haben alle Zeit der Welt, Dr. Lecter, denn die Mail, die vor einer Stunde von Ihrem Computer abgeschickt wurde, enthält tatsächlich nur wenig mehr als Nichts. Und sie war darüber hinaus an meinen eigenen Computer in Quantico gerichtet. Das hätten Sie auch leicht feststellen können, wenn Sie sich die Mühe gemacht hätten, die Adresse genauer durchzulesen."

Ich kann seinen forschenden und analysierenden Blick zwar nicht sehen, aber er prickelt auf meiner Haut.

"Nun, das macht mich aber immer noch nicht zum Sieger in diesem Spiel, oder?"

"Doch, denn Sie haben das Spiel hinter dem Spiel gewonnen. Ich habe Ihnen heute Abend - im Rahmen Ihres Wertesystems - genug Gründe geliefert um mich zu töten. Ich war aufdringlich, unhöflich, distanzlos, und ich habe Sie belogen und verraten. Trotzdem haben Sie letztendlich darauf verzichtet, mich aus dem Weg zu räumen, so wie Sie es mit Ihren früheren Opfern gemacht haben. Indem Sie dieses Spiel freiwillig verloren gegeben haben, haben Sie Ihren Preis - im Rahmen meines Wertesystems - ehrlich gewonnen."

Er antwortet mir nicht und lässt auch sonst keine körperliche Regung erkennen, also fahre ich schließlich mit meiner Erklärung fort,

"Sehen Sie, Dr. Lecter. Ich kann nicht mit einem Mann zusammensein, bei dem ich ständig in meinem Hinterkopf haben muss, dass ein Fehlverhalten oder eine unbedachte Bemerkung meinerseits, meinen Tod zur Folge haben könnte. Ich musste einfach herausfinden, wie weit ich bei Ihnen gehen kann und ob Sie es wirklich fertig bringen würden, mich zu töten. Ich will einfach keinen Feind in meinem Bett haben, ist das so schwer zu verstehen?"

Nachdem auch nach dieser Erklärung keine Reaktion seinerseits kommt, seufze ich, hebe meine Hand und bedeute ihm ein bisschen zu warten. Ich hole die Kerze vom Tisch, gehe damit durch den Flur an ihm vorbei zum Kellerabsatz und steige hinunter. In kürzester Zeit habe ich die Sicherung wieder flott gemacht und das warme Licht der kristallenen Leuchter erwartet mich, als ich wieder zum Flur hochsteige. Er ist nicht mehr da, aber ein Geräusch aus dem Wohnzimmer verrät mir, wohin er verschwunden ist.

Vermutlich überprüft er gerade meine Angaben bezüglich der Mail. Es wird für ihn ein leichtes sein, festzustellen, dass ich ihn diesmal in keinster Weise belogen habe, denn ich habe die Mail nicht einmal mit einem Passwort versehen. Das nächste - und mit Sicherheit letzte - Mal wenn ich wieder an meinem Schreibtisch in Quantico sitze, werde ich sie einfach löschen und dann sind alle Reste dieses Spuks beseitigt.

Ich blase die Kerze aus und stelle sie auf ein Tischchen im Flur. Dann hebe ich das kleine Päckchen auf, das seit meinem Sturz vor wenigen Minuten unbeachtet auf dem Boden liegen geblieben ist. Als ich das Wohnzimmer wieder betrete, schaltet er gerade seinen Laptop ab. Er registriert mein Eintreten, blickt hoch und lächelt mich an. Seine Recherchen sind also offensichtlich zu seiner Zufriedenheit ausgefallen.

Ich gehe einen Schritt auf ihn zu und halte ihm das ziemlich ramponierte Päckchen entgegen.

"Hier ist das, 'was Sie gesucht haben', Dr. Lecter... und... alles Gute zum Geburtstag."

Ich glaube, ich werde es in meinem ganzen Leben nie wieder schaffen, diesen unglaublich beherrschten Mann, dieses Epitom der Ruhe, so nahe an den Rand der Fassungslosigkeit zu bringen. Als er sich schließlich wieder einigermaßen in der Hand hat, streckt er den Arm aus und nimmt das Päckchen aus meiner Hand.

Er bedeutet mir, mich auf die längliche Couch zu setzen und legt das Päckchen vor mich auf den Tisch. Dann geht er quer durch den Raum zu einer Vitrine und holt zwei herrliche Kristallgläser daraus hervor. Schließlich entschuldigt er sich höflich und verlässt den Raum. Wahrscheinlich geht er in den Keller und holt etwas Wein.

Ich bin immer noch nicht ganz bei mir und danke ihm im Stillen für die kleine Unterbrechung, die er uns beiden mit dieser Aktion verschafft hat. Als er zurückkommt, hält er tatsächlich eine Flasche Wein in der Hand. Im Prinzip hätte ich zwar lieber etwas Härteres gehabt, aber egal, Hauptsache Alkohol.

Als er den Wein fachmännisch geöffnet und uns eingeschenkt hat, setzt er sich zu mir auf die Couch. Ohne mich anzublicken hebt er das Päckchen hoch, betrachtet es von allen Seiten und hält es dann vor sich. Schließlich wendet er sich mir zu und sagt,

"Meine liebe Clarice, das hier dürfen Sie sich wirklich auf Ihre Fahnen heften. Sie haben mir einen der ereignisreichsten und mit ziemlicher Sicherheit den fürchterlichsten Geburtstag meines ganzen Lebens verschafft."

"Ich weiß", antworte ich keck. "Ich wollte verhindern, dass Ihnen heute Abend allzu langweilig wird. Gehört alles zum Service."

Er lächelt zurück und wickelt langsam und bedächtig das Päckchen aus. Wenn ich die sorgfältige, beinahe ehrfürchtigen Art, in der er das macht, betrachte, kommt mir unwillkürlich der Gedanke, dass es möglicherweise schon sehr lange her ist, dass ihm überhaupt irgendjemand etwas geschenkt hat.

Als er das in dem Päckchen verborgene Kästchen öffnet, leuchten seine Augen auf. Er nimmt den Gegenstand heraus und betrachtet ihn ausgiebig. Es ist eine ungewöhnlich schöne, sehr alte Taschenuhr, die ich bei einem Antiquitätenhändler erstanden habe. Sie ist echt antik, von erstklassiger Qualität und der Hauptgrund dafür, dass ich heute Abend ohne Schmuck herumlaufe.

Als er die Uhr aufklappt, blickt er erstaunt zu mir hoch und sagt,

"Sie ist kaputt..."

"Ja, Uhren, denen die Zeiger fehlen, funktionieren normalerweise nicht", antworte ich mit einem Augenzwinkern. "Aber keine Sorge, ich habe sie hier."

Damit hole ich aus meinem Täschchen einen kleinen Behälter, in den die beiden Zeiger der Uhr verpackt wurden, nachdem sie zuvor auf meine Bitte hin fachgerecht aus der Uhr entfernt worden waren.

"Sie sehen, Ihr Geschenk ist nicht wirklich kaputt. Aber ich brauche die Uhr in diesem Zustand, denn so wie sie jetzt ist, ist sie nämlich ein Symbol für..."

"...für einen Raum außerhalb der Zeit", unterbricht er mich. "Ein ungewöhnliches Geschenk, Clarice, von einer ungewöhnlichen Frau."

Dann atmet er hörbar ein und blickt mir tief in die Augen,

"Sie können das nicht wissen, meine Liebe, aber ich habe ein ganz besonderes Verhältnis zur Zeit. Vielleicht werde ich Ihnen bei Gelegenheit einmal davon erzählen. Wenn ich das Ganze hier also richtig verstehe, ist die Uhr das Symbol und Sie sind mein Geschenk."

"Ja. Das Geschenk und der Preis. Ich hoffe, Sie sind nicht enttäuscht, dass es sich bei beidem um ein- und dasselbe handelt."

Er legt die Uhr auf den Tisch, dann dreht er sich zu mir und zieht mich zu sich heran. Sein Körper ist erstaunlich muskulös für sein Alter und nun, da ich ihm so nahe bin und nicht um mein Leben fürchten muss, kann ich auch das Cologne wieder riechen, das mir bereits in meinem Schlafzimmer aufgefallen ist. Ich liebe diesen Duft, er passt so gut zu ihm...

Er vergräbt seine Nase in meinem Haar und inhaliert tief den Geruch meines Shampoos. Dann beginnt seine Hand leicht über meinen Nacken zu wandern bis sie meinen Hinterkopf erreicht. Gleichzeitig senkt er seinen Kopf und lässt seinen Mund von meiner Stirn ganz zart über meine Nase bis zu meinen Lippen wandern. Dort spielt er zärtlich mit seiner Zunge, bevor er sich zurückbeugt und mir einen fragenden Blick zuwirft. Als ich ihm mein Einverständnis signalisiere, beugt er sich wieder über meine Lippen und beginnt endlich damit, mich ernsthaft zu küssen.




Kapitel 9

Oh, meine Gott, was kann dieser Mann küssen! Nachdem er den Kuss beendet hat, bleibe ich im wahrsten Sinn des Wortes atemlos zurück. Ich öffne meine Augen und sehe, dass er mich amüsiert mustert.

Als ich wegen der unwillkommenen Unterbrechung ein unwilliges Knurren ausstoße, lacht er leise, beugt sich wieder über mich und beginnt dann damit, mit seinen Händen an meinem Körper entlang zu wandern. Ich lege meine Arme um ihn und ziehe ihn ebenfalls an mich. Dabei kommt sein Mund an meinem Ohr zu liegen und er beginnt auf unbeschreiblich erregende Weise an meinem Ohr zu knabbern.

Das Gefühl, das er in meiner Körpermitte damit auslöst, ist so intensiv, dass es mir beinahe entgeht, dass er eine seiner Hände an meinem Bein entlang wandern lässt, bis er sie etwa auf der Höhe meines Oberschenkels unter das Kleid schiebt. Ich möchte ihm zu Hilfe kommen, aber er stößt meine Hände sanft weg und murmelt an meinem Ohr,

"Das ist mein Geschenk, meine Liebe, also darf ich es wohl auch auspacken..."

Ich reiße mich von ihm los und stehe auf. Auf seinen erstaunten und fragenden Blick hin, antworte ich leichthin,

"Natürlich ist das hier Dein Geschenk, aber das Kleid überlässt Du wohl besser mir. Du kannst Dich dann ja an meiner Wäsche austoben oder glaubst Du etwa, ich trage deshalb so viele Schleifchen am Körper, weil ich der romantische Typ bin?"

Er registriert sehr genau, dass ich auf das vertrauliche Du übergegangen bin, aber es scheint ihn nicht im geringsten zu stören. Im Gegenteil, er scheint unsere neuerworbene Intimität in vollen Zügen zu genießen und lässt seinen Blick erwartungsvoll über meinen ganzen Körper wandern.

Ich weiß nicht, was er von mir erwartet und ich bin keine prüde Frau, aber einen dramatischen Auftritt mit nichts als Liebesperlen am Leib kann man auf keinen Fall von mir erwarten. Mit einigen wenigen Handbewegungen habe ich das Kleid ausgezogen und präsentiere mich ihm in meiner ganzen spitzenverhüllten Pracht.

Offenbar sagt ihm das, was er sieht, zu, wenn ich das Leuchten in seinen Augen und das unbewusste Befeuchten der Lippen mit seiner Zunge richtig interpretiere...

Er beugt sich nach vorne und streicht mit einer Hand an meinem Oberschenkel hoch. Dann zieht er mich zu sich nach unten und küsst mich erneut. Meine Knie werden weich und drohen nachzugeben. Er scheint das zu spüren und macht einen Versuch, mich auf die Couch zu ziehen. Mir geht das zu schnell, aber ich möchte ihn auch nicht mit einer falschen Bewegung brüskieren. Daher unterbreche ich den Kuss und richte mich - da ich in meiner Position etwas aus dem Gleichgewicht bin - wieder auf. Ich ignoriere seinen Blick, lege ihm stattdessen einen Finger an seine Lippen und sage mit einem Augenzwinkern,

"Der große Doktor täte gut daran, wenn er seine eigenen Weisheiten besser beherzigen würde. Gut Ding will Weile haben, Hannibal. Also lass uns erst noch ein bisschen miteinander spielen, ja?"

Den dumpfen Laut aus seiner Kehle interpretiere ich als Zustimmung. Nachdem er mir solcherart sein Einverständnis gegeben hat, knie ich mich vor ihm hin und lächele zu ihm hoch. Mit geschickten Fingern öffne ich den Reisverschluss seiner Hose und fahre mit meiner Hand sanft über die Wölbung, die sich unter seinen Shorts bereits sehr deutlich abzeichnet. Ich schließe meine Augen und seufze leise und genießerisch.

Als ich die Augen wieder öffne, schaue ich ihn geradewegs an und warte auf ein Zeichen, dass ich mit meinen Handreichungen weitermachen soll. Er hebt eine Augenbraue und deutet mir mit einem Kopfnicken an, fortzufahren. In der nächsten Sekunde habe ich seinen pulsierenden, samtigen Penis aus seinem Gefängnis befreit. Meine Hand umfasst ihn und bewegt sich langsam auf und ab. Eine prickelnde Wärme breitet sich in meinem gesamten Unterleib aus.

Er lässt sich genießerisch in die Polsterung der Couch zurückfallen und schließt die Augen. Ein Lächeln stiehlt sich auf seine Lippen und er lässt offensichtlich seine Gedanken wandern, während ich meine Liebkosungen fortsetze. Vielleicht denkt er an frühere Zeiten zurück, als er noch der renommierte, allseits umschwärmte und mit Ehrungen überhäufte Starpsychiater war. Ich verspüre einen leichten Stich der Eifersucht, als ich an all die Frauen denke, die er vor mir gehabt hat, aber ich dränge diesen Gedanken rasch zurück. Das alles ist Geschichte, ich bin das hier und jetzt...

Ich habe ihn in meinen warmen, feuchten Mund genommen und spiele nun mit meiner Zunge an der Spitze seines Schaftes. Dieses Gefühl bringt ihn schnell wieder in die Wirklichkeit zurück und er wird sich scheinbar der Tatsache bewusst, dass er sich nicht mehr lange zurückhalten kann, wenn ich auf diese Weise weitermache. Deshalb greift er mit seiner Hand unter mein Kinn und zwingt mich dazu, zu ihm aufzublicken.

"Clarice...", beginnt er zu sprechen, aber ich schüttle verneinend meinen Kopf. Ein einziges Mal möchte ich, dass er derjenige ist, der zuerst etwas von sich preisgibt. Ich möchte ihn fühlen, ihn mit all meinen Sinnen wahrnehmen. Ich möchte sein Innerstes sehen, bevor ich ihm das Meine preisgebe.

Sein Blick, dunkel vor Lust, sagt mir, dass er mich versteht und er akzeptiert meinen Wunsch. Er greift mit seiner rechten Hand in mein Haar und drückt meinen Kopf tiefer. Ich stöhne leicht auf, mache aber unbeirrt weiter, denn ich spüre genau, das sich seine Erregung dem Höhepunkt nähert. Also nehme ich meine zweite Hand zu Hilfe und beginne sanft, aber nachdrücklich, seine Hoden zu kneten. Mit meinem Mund und meinen beiden Händen arbeite ich weiter und passe mich dabei seinem Rhythmus und seinen Bedürfnissen voll an. Dieser extremen Reizung kann er sich nicht lange wiedersetzen. Seine Bauch- und Unterleibsmuskulatur kontrahiert sich und er kommt heftig in meinem Mund. Danach lehnt er sich wieder zurück und genießt mit geschlossenen Augen die Nachwirkungen seines Höhepunkts, die herrliche, wohlige Entspannung, die sich nun in seinem gesamten Unterleib breit macht. Ich höre mit meinen Bewegungen noch nicht auf, sondern führe sie sehr sanft - ohne ihn zu überreizen - weiter. Als ich ihn schließlich aus meinem Mund nehme, öffnet er die Augen und schenkt mir einen zärtlichen Blick.

Ohne ein weiteres Wort steht er auf, geht zum Kamin und beginnt alle im Raum verfügbaren Kissen und Decken zu einer einladenden, weichen Unterlage auszubreiten. Dann kommt er zu mir, hebt mich auf seine starken Arme und legt mich vor das offene Feuer auf sein improvisiertes Bett.

Ich blicke ihn an und schlucke unwillkürlich, denn ich weiß genau, was jetzt kommt. Er beugt sich über mich und küsst mich leidenschaftlich, dann schenkt er mir ein verführerisches Lächeln und beginnt, mit seinem Mund von meinem Gesicht zu meinem Nacken und von dort aus langsam, sehr langsam immer tiefer zu wandern.

Als er sein Ziel fast erreicht hat, kneife ich unwillkürlich meine Oberschenkel zusammen. Ich bin keine Jungfrau mehr, aber ich habe auch noch nie einem Mann eine derartig intime Liebkosung erlaubt. Er hebt seinen Kopf und lächelt mich auf eine Weise an, die heiße Wellen durch meinen Unterleib jagt.

Dadurch lässt aber die Spannung in meiner Muskulatur nach und er zieht sanft meine Beine auseinander. Dann küsst und leckt er die Innenseite meiner Oberschenkel und zieht mit seinem Mund eine heiße Spur nach oben. Als er seinen Mund schließlich sanft auf meine Schamlippen legt und seine Zunge zart dazwischenschiebt, bin ich bereits nahe daran, zu kommen.

Ich lege mich auf die Kissen zurück und schließe meine Augen, denn ich weiß, wenn ich ihm dabei zusehe, wie er zwischen meinen Beinen seinem Vergnügen nachgeht, kann ich nicht mehr an mich halten. Ich denke an Gott und die Welt, um seiner Zunge und seinen Fingern keinen allzu schnellen Sieg zu erlauben. Aber der Reiz ist zu stark und ich kann mich nicht länger zurückhalten. Also presse ich meine Beine auf den Boden und hebe ihm meinen Unterleib entgegen.

Mein Höhepunkt ist heftiger als alles, was ich bisher mit einem anderen Mann erlebt habe. Aber erstaunlicherweise lässt mich mein Orgasmus nicht befriedigt und satt zurück, sondern ich brenne jetzt darauf, ihn nun auch wirklich in mir zu spüren. Offensichtlich ist auch er körperlich wieder dazu in der Lage, bei unserem erotischen Spiel eine tragendere Rolle zu spielen, denn ich spüre seine heiße Erektion an meinem Bauch, als er sich über mich beugt.

Er legt seine Wange an meine und flüstert mir ins Ohr: "Jetzt, Clarice, bin ich bereit, mir mein Geschenk zu nehmen. Bist Du bereit, es mir zu geben?" Meine Antwort besteht aus wenig mehr als einem heiseren Gurgeln, denn die Erregung schnürt mir meine Kehle zu.

Er richtet sich auf und bringt sich zwischen meinen Beinen in Position. Ohne weiteres Federlesens dringt er in mich ein. Ich drücke meinen Rücken durch und verdrehe vor Lust meine Augen. Daraufhin legt er beide Hände an meinen Kopf und zwingt mich so, ihn anzusehen. Er spricht mit vor Anstrengung und Lust verzerrter Stimme, während er unablässig in mir weiterarbeitet.

"Sieh mich an, Clarice, ich möchte Deine Augen sehen, wenn ich Dich nehme. So ist es gut, sieh nicht weg, meine kleine Starling. Lass mich Dein Gesicht sehen, wenn Du kommst..."

Ich öffne meine Augen weit, um seiner Bitte nachzukommen, obwohl ich ihn nicht wirklich sehen kann, denn mein Blick verschleiert sich immer mehr. Aber mein Körper folgt ohnehin nur mehr seinem Instinkt und seinen heftigen, fordernden Stößen...




Epilog

Ich habe immer vermutet, dass er ein großzügiger Liebhaber ist, aber die letzten Stunden haben meine kühnsten Erwartungen übertroffen. Ich glaube, nach dem dritten Mal bin ich auf ihm eingeschlafen. Jetzt liege ich in einem wundervoll weichen Bett, in der Wärme eines anderen Menschen und lausche seinen ruhigen Atemzügen. Ich glaube fast, ich könnte anfangen die Dunkelheit zu lieben.

Aber der Morgen dämmert bereits und damit das Ende unserer gemeinsamen Zeit. Ich frage mich, ob ich in dieser Nacht genügend Erinnerungen gesammelt habe, um damit den Rest meines Lebens auszufüllen. Nun, das werde ich ohnehin bald genug herausfinden. Ich seufze. Dann drehe ich mich um und greife über den Körper meines Liebhabers hinweg nach der Taschenuhr auf seinem Nachtkästchen. Sie ist nicht mehr da.

Es gelingt mir gerade noch, diese Tatsache gedanklich zu verarbeiten, als mein Handgelenk gepackt wird. Natürlich. Ich hätte mir eigentlich denken können, dass er nicht schläft. Er dreht meine Hand um, führt sie an seinen Mund und küsst zärtlich ihre Innenfläche.

Dann sagt er,

"So eifrig, von mir fortzukommen, Clarice? Bist du Deiner Liebhaber immer so schnell überdrüssig oder habe ich Deinem herrlichen Körper heute Nacht nicht genug Tribut gezollt?"

Ich bin verwirrt und schaue ihm tief in seine seltsamen, kobaltblauen Augen. Er ist zweifellos amüsiert. Ich sehe ihn fragend an und sage,

"Ich dachte, wir waren uns einig darüber... ich meine über den Ort außerhalb der Zeit..."

"Ah, meine Liebe, aber Zeit ist relativ. Hast Du nicht gewusst, dass es ernsthafte Theorien darüber gibt, dass Zeit dehnbar ist wie ein elastisches Seil? Ich denke, ich sollte Dich recht bald einmal mit der Gedankenwelt eines gewissen Stephen Hawkings vertraut machen."

Ich schnaube auf. Typisch für ihn, in JEDER Situation mit seiner Bildung protzen zu müssen. Nicht einmal jetzt kann er es unterlassen, mich zu belehren.

Er bemerkt meinen Unmut, lacht leise und fährt fort,

"Ach, meine süße Clarice. In der Zeit der Renaissance gab es eine Kurtisane, die sich in einem Zeitalter, in dem es viele strahlendere Vertreterinnen ihrer Zunft gab, einen ganz besonderen Ruf erwarb. Ihr wirklicher Name ist heute nicht mehr überliefert, aber der Kosename, den ihr ihre Liebhaber gegeben haben. Er lautet: La Belle Noiseuse. Sie erinnert mich wirklich sehr an Dich."

Bei diesen Worten funkeln mich seine Augen neckisch an. Ich seufze übertrieben laut auf, gebe ihm dann aber die Genugtuung und stelle die Frage, auf die er offensichtlich wartet.

"Und was soll das heißen: La Belle Noiseuse?"

Er grinst breit und antwortet mir: "Die schöne Kratzbürste".

Ich bin zunächst einmal sprachlos und weiß nicht, ob ich wütend darauf reagieren oder mich darüber amüsieren soll. Ich entscheide mich für letzteres und lache leise. Es gibt sicher nicht viele Männer, die so eine Charaktereigenschaft als positiv empfinden würden.

Meine humorvolle Reaktion erfreut ihn sichtlich. Dann sagt er, nun mit einem ernsten Unterton in seiner Stimme,

"Meine kleine Starling. Ich hoffe, Du hast Dein Herz nicht allzu sehr an diese hübsche kleine Uhr gehängt, denn ich denke, dass Du sie so bald nicht wiedersehen wirst. Natürlich kann man nie vorhersagen, was sein wird, aber ehrlich gesagt, bezweifle ich sehr stark, dass Du sie überhaupt noch einmal zu Gesicht bekommst."

Ich sage nichts darauf, sondern lege meinen Kopf an seine Brust. Ich liebe das Auf- und Ab seines Oberkörpers wenn er atmet und das leichte Kitzeln seiner Brusthaare an meiner Nase. Ich liebe auch das Gefühl der Wärme, die sich bei seinen Worten in meinem ganzen Körper ausgebreitet hat und das Gefühl seiner Hand, wenn er damit über mein Haar streicht. Ich bin auf einmal, auf eine sehr angenehme Weise, müde.

Clarice Starling ist endlich zu Hause. Und morgen? Morgen, das ist lediglich die ewig gleiche Wiederholung von gestern. Was für eine herrliche Vorstellung.

ENDE

© 2003 by Lilith

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H I N W E I S :
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